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Deutliches Leistungsplus für Traunkraftwerk Kemating nach Modernisierung8 min read

26. August 2019, Lesedauer: 6 min

Deutliches Leistungsplus für Traunkraftwerk Kemating nach Modernisierung8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Mit dem Erwerb von fünf Laufwasserkraftwerken an der mittleren Traun von der UPM-Gruppe hat die Energie AG Oberösterreich 2017 ihre Kraftwerksflotte bedeutend erweitert.

Die zum Teil weit über 100 Jahre alten Kraftwerke dienten ursprünglich alle zur Versorgung der Papierfabrik in Steyrermühl und wurden in einem Gesamtpaket übernommen. Die mittlere Jahresproduktion der „neuen-alten“ Kraftwerke beträgt in Summe etwa 30 GWh, wodurch die Energie AG rund 9.000 durchschnittliche Haushalte versorgen kann. Aufgrund des teilweise sehr schlechten Zustands der Anlagen wurden zahlreiche Revisionen und Modernisierungen durchgeführt. Beim Kraftwerk Kemating auf dem Gebiet der Gemeinde Roitham umfasste die   in den vergangenen Herbstmonaten durchgeführte Sanierung die gesamten elektromechanischen und stahlwasserbaulichen Gewerke. Weite Teile der Revision wie die Turbinensanierungen führte die eigene Betriebsmannschaft der Energie AG durch. Darüber hinaus kamen mehrere bewährte Unternehmen wie die Rittmeyer AG, die Eisenbeiss GmbH, die Braun Maschinenfabrik GmbH oder auch ANDRITZ Hydro zum Zug. Nach der wunschgemäß verlaufenen Umbauphase konnte das Traditionskraftwerk mit deutlichem Leistungsplus noch vor Weihnachten wieder den Betrieb aufnehmen.

Von ihrem Ursprung im Toten Gebirge im steirischen Ausseerland bis weit in den oberösterreichischen Zentralraum hinein kommt der Traun als Energielieferant für den Betrieb einer ganzen Reihe von Wasserkraftwerken bedeutender Stellenwert zu. Ein erheblicher Anteil des von der Energie AG nachhaltig produzierten Stroms stammt aus Wasserkraftwerken zwischen Bad Aussee und Traun-Pucking. Im Sommer 2017 hat die Energie AG mit der Übernahme von fünf Bestandsanlagen an der mittleren Traun ihr Engagement im Wasserkraftbereich deutlich unter Beweis gestellt. Übernommen wurden die Kraftwerke Kohlwehr, Gschröff, Steyrermühl, Siebenbrunn und Kemating vom finnischen UPM-Konzern, der die Papierfabrik in Steyrermühl 2001 erworben hatte. Die teilweise stillgelegten Anlagen dienten bis zur Übernahme durch die Energie AG ursprünglich zur elektrischen Versorgung der Papierproduktion. „Wasserkraft ist die wichtigste Säule der oberösterreichischen Stromproduktion. Die Stärkung der Eigenerzeugung ist von besonderer Bedeutung, um für die Herausforderungen der kommenden Jahre gerüstet zu sein“, äußerte sich Generaldirektor Werner Steinecker zum Erwerb der fünf Anlagen 2017. „Die übernommenen Kraftwerke ergänzen die bestehende Kraftwerksstruktur der Energie AG an der Traun und werden in das zentrale Steuerungssystem der Wasserkraftwerke eingebunden. Die Kraftwerke erzeugen Strom für rund 9.000 Haushalte“ erklärte Energie AG-Technik-Vorstand Stefan Stallinger.

Anlagen mit Revitalisierungsbedarf
„Generell bestand an allen erworbenen Kraftwerken, deren Bausubstanz und Technik teilweise bis vor die Jahrhundertwende um 1900 zurückreicht, hoher Revitalisierungsbedarf“, führt Maximilian Medl, Energie AG-Leiter Kraftwerksgruppe Mitte, aus. Andererseits waren an mehreren Standorten in der jüngeren Vergangenheit bereits unterschiedliche technische und bauliche Maßnahmen durchgeführt worden. Beim Kraftwerk Steyrermühl, direkt auf dem Gelände der Papierfabrik, hatte man um das Jahr 2003 eine umfangreiche Erneuerung der Kraftwerksanlage durchgeführt und wie bei den Anlagen Gschröff und Kemating Fischaufstiegsanlagen zur Herstellung ökologischer Durchgängigkeit errichtet. Das um 1880 errichtete Kraftwerk Gschröff in Ohlsdorf war im Rahmen der oberösterreichischen Landesausstellung 2008 zu einem Schaukraftwerk adaptiert worden. Diese historische Anlage, die als eine der ersten ihrer Art anstelle von mechanischen Transmissionen mit Generatoren zur Stromerzeugung ausgerüstet wurde, wurde bis heute technisch weitgehend unverändert belassen.

KW Kemating um 1900 gebaut
Beim Kraftwerk Kemating in der Gemeinde Roitham, das um das Jahr 1900 für den Direktantrieb einer Holzschleiferei errichtet wurde, hatte sich die Energie AG für eine umfassende Revision sämtlicher Anlagenkomponenten entschieden. Für den Umbau zur ­Produktion von Elektrizität wurde die Ausbauwassermenge bereits 1910 auf 40 m³/s erhöht, zwischen 1913 und 1921 sollten ins­gesamt drei Francis-Schacht-Turbinen mit vertikalen Wellen eingebaut werden. Maschine 2 und 3 (Baujahr 1914) schlucken jeweils 13 m³/s, die etwas größere 1921 eingebaute Maschine 1 wurde für ein Schluckvermögen von 14 m³/s konzipiert. „Das Kraftwerk Kemating hatte den Vorteil, dass der Revitalisierungsbedarf von Beginn an klar vorgegeben war. Die anstehenden technischen Aufwände waren relativ überschaubar und klar abgegrenzt, für den Erhalt der wasserrechtlichen Konzession durften keine größeren Veränderungen vorgenommen werden“, erörtert Medl und führt weiter aus, dass die aus heutiger Sicht konservative Bauweise mit offenem Oberwasserkanal durchaus Vorteile für das Revitalisierungsprojekt mit sich brachte. Die Kanal-Einlaufschützen – die im Zuge der Modernisierung anstelle von Riemen- mit elektrischen Antrieben ausgerüstet wurden – erlauben das komplette Verschließen des Kraftwerks-Zulaufs. Zusätzlich befinden sich an der Gebäudefassade für jede Turbine separate Absperrschütze, wodurch ein Arbeiten im trockenen Turbinenkörper problemlos ermöglicht wird. Neben der elektromaschinellen Revitalisierung im Maschinenhaus sollte auch die fahrbare Teleskop-Rechenreinigungsmaschine am vertikalen Einlaufrechen einem umfassenden Service unterzogen werden. Ausgeführt wurde die Sanierung des Rechenreinigers direkt vom ursprünglichen Hersteller Braun Maschinenfabrik aus dem nahe gelegenen Vöcklabruck. Die Hydraulik der Maschine wurde dabei grundsätzlich erneuert und mit frischem Öl befüllt, ein Zylinder konnte repariert werden. Erneuert wurde ebenso die Putzharke sowie Teile der elektrischen Verkabelung. Darüber hinaus wurde ein Segment des Rechenfeldes aufgrund von Beschädigungen komplett getauscht.

Turbinen erhalten großes Service
Im August des Vorjahres startete mit dem Abstellen des noch laufenden Maschinensatz 1 die konkrete Umsetzungsphase. Die Maschinen 2 und 3 waren aufgrund der Komplettabnützung ihrer mit Holzkammrädern ausgeführten Getriebe bereits seit längerer Zeit stillgestanden. „Ganz wesentlich bei der Sanierung waren die Turbinenrevisionen, das letzte große Service an den Maschinen war zuletzt vor über 20 Jahren durchgeführt worden. Dies zeigte sich unter anderem an den schwergängigen Leitapparaten, die sich fast nicht mehr bewegen ließen. Die Wiederherstellung funktionsfähiger Verstelleinrichtungen hatte somit grundsätzlich oberste Priorität“, sagt Medl. Generell konnten weite Teile der Revitalisierung von den Mitarbeitern der Energie AG direkt vor Ort oder im Kompetenzzentrum in Gmunden durchgeführt werden. Dies umfasste auf hydromechanischer Seite die kompletten Turbinenrevisionen sowie den Einbau der neuen Getriebe und die Ausführung der Kupplungs-Wellenstränge zu den Generatoren.“ Für den Aus- und Einbau der vertikalen Turbinenwellen musste auf einen mobilen Schwerlastkran zurückgegriffen werden, wofür drei separate Dachausschnitte hergestellt wurden.

Spezialgetriebe ersetzen Holzkammräder
Nach dem Wiedereinbau der revitalisierten Laufräder und Leitapparate ging es an die Montage der neuen Getriebe, wozu die Fundamente für die exakte Positionierung des tonnenschweren Bauteils mittels Stemmeinsatz entsprechend angepasst wurden. Medl betont, dass die zehntelmillimetergenaue Anpassung der Maschinenwellen an das Getriebe zwischen den unveränderbaren vertikalen und horizontalen Fixpunkten die technisch größte Herausforderung des Projekts darstellte. Verbaut wurden Getriebe des Herstellers Eisenbeiss GmbH, einem Experten für Spezialgetriebebau aus dem oberösterreichischen Enns. Für eine möglichst effektive Kraftübertragung lieferte Eisenbeiss drei Stück zweistufige Kegelstirnradgetriebe, die speziell für den Einbau in Altanlagen mit Schacht-Turbinen und horizontalen Generatoren entwickelt wurden. Jedes der hochmassiv ausgeführten Getriebe wiegt rund 6 t und wurde mit einem Übersetzungsverhältnis von 1:3,571 ausgeführt. Die Bewegungsenergie der mit 69,5 U/min drehenden Laufräder wird durch die zuverlässigen Gewerke verlustarm zu den jeweils auf 250 U/min Drehzahl ausgelegten Synchron-Generatoren übertragen. Dank ihrer robusten Fertigung kommen die Getriebe auch mit abrupt auftretenden Kräften, die etwa bei Schnellschluss-Vorgängen auftreten können, problemlos zurecht. Zusätzlich dienen im Boden der Getriebe verbaute Traglager als stabile Aufhängung für die Turbinen.

Generatoren neu erregt
Dank der wartungsarmen modernen Getriebe entfällt nun auch die vor dem Umbau notwendige arbeitsintensive Wartung der Holzzähne der alten Kammradgetriebe. Die einzelnen Holzzähne mussten wöchentlich von Hand mit einem Gemisch aus Bienenwachs, Grafit, Rindertalg und Leinenöl bestrichen werden. Dieser Belag hatte durch Ablagerungen des Schmiermittels im gesamten Krafthaus seine Spuren hinterlassen. Obwohl auch die offenen Generatorspulen durchgängig von einer Schmutzschicht überzogen waren, hatte dies keine nennenswerten Auswirkungen auf die generelle Funktionalität der Maschinen. „Durch Rückfragen bei Generatoren-Herstellern wurde uns bestätigt, dass diese über 100 Jahre alten Maschinen sogar mit minimalen Windungsschlüssen bzw. Wicklungsfehlern funktionieren und keine größeren Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Außerdem sind diese Maschinen konstruktionsbedingt sehr wartungs- und reparaturfreundlich, einem Betrieb für weitere 100 Jahre steht grundsätzlich nichts im Weg“, erläutert Medl. Der Revisionsaufwand bei den Generatoren fokussierte sich auf die Modernisierung der Erregersysteme durch die Experten von ANDRITZ Hydro. Die ausgedienten Erregermaschinen, die ihre technische Lebensdauer längst überschritten hatten, wurden durch moderne statische Erregersysteme ersetzt. „Notwendig war dabei lediglich die Erneuerung der Schleifringe, die durch die Firma Riegler aus Linz professionell umgesetzt wurde“, ergänzt Medl.

RIttmeyer liefert Elektro- und Leittechnik
Eine umfassende Modernisierung von Elektrotechnik und Steuerung durch die Rittmeyer GmbH Österreich sollte den zukünftigen vollautomatischen Betrieb des Traditionskraftwerks sicherstellen. Aufgrund des kurzen Umsetzungszeitraums innerhalb weniger Monate wurde das Projekt von Rittmeyer-Mitarbeitern aus Österreich und der Schweiz realisiert. Der Lieferumfang beinhaltete unter anderem die umfangreiche Erneuerung der Verkabelung, die Bereitstellung von Schaltschränken und 24 V-Versorgung sowie die Ausführung der Leittechnik. Für die mechanischen Umbauten der Turbinenregler wurde von Rittmeyer als Partner der deutsche Wasserkraft-Allrounder Kochendörfer beauftragt. Dieser lieferte für die drei Turbinenregler der einzelnen Maschinengruppen die entsprechenden Hydraulikaggregate inklusive Drehzahlmessung. Die ausführenden Unternehmen waren laut Wolfgang Kaiblinger, Geschäftsführer Rittmeyer GmbH Österreich, grundsätzlich gefordert, die Regelung der über 100 Jahre alten Turbinen möglichst schonend zu gestalten und dabei die spezifische Anforderungen der Energie AG als Wasserkraft- und Netzbetreiber zu erfüllen. Zur vollautomatischen Steuerung des Kraftwerks kommt eine vielfach im Kleinwasserkraftsektor erprobte Automatisierungssoftware von Rittmeyer zum Einsatz, die Fernüberwachung des Kraftwerks mittels ge­sicherter Online-Anbindung erfolgt in der zentralen Energie AG-Leitwarte in Gmunden.

Leistung bedeutend erhöht
Bereits wenige Monate nach Baustart konnte im November des Vorjahres 2018 die Wiederinbetriebnahme des rundum erneuerten Kraftwerks in Angriff genommen werden. Wie es sich die für die Umsetzung verantwortlichen Energie AG-Mitarbeiter vorgenommen hatten, lieferten alle drei Maschinen eine Woche vor den Weihnachtsfeiertagen wieder Strom ans Netz. Nach den ersten im Herbst durchgeführten Versuchen hat sich die umfangreiche Revitalisierung der Anlage in Sachen Leistungssteigerung deutlich bezahlt gemacht, merkt Medl abschließend an. Die Energie AG geht davon aus, dass das Kraftwerk Kemating unter Volllast nun eine Engpassleistung von rund 1.800 kW erreicht. Vor dem Umbau schafften die Maschinen eine Engpassleistung von etwa 1.350 kW. Die Betreiber rechnen damit, dass sich auch das vormals mit 10,17 GWh bezifferte durchschnittliche jährliche Regelarbeitsvermögen entsprechend erhöhen wird. In Summe investierte die Energie AG in die Modernisierung des historischen Kraftwerks rund 1,5 Millionen Euro.

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