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Ältestes Industriedenkmal der Schweiz schlägt neues Kapitel der Wasserkraftnutzung auf16 min read

15. August 2016, Lesedauer: 11 min

Ältestes Industriedenkmal der Schweiz schlägt neues Kapitel der Wasserkraftnutzung auf16 min read

Lesedauer: 11 Minuten

Vor über 30 Jahren begann sich am Areal der ältesten Fabrik der Schweiz – der ersten maschinellen Spinnerei Hard im Kanton Zürich – ein spannendes Gemeinschaftsprojekt zu entwickeln.

Eine lockere Gemeinschaft Gleichgesinnter hatte den historischen Industriekomplex übernommen, um hier ein lebendiges Mit- und Nebeneinander zu schaffen. Übergeordnete Leitziele stellten und stellen bis heute Wohnen, Arbeit und Kultur dar, aber auch der Erhalt der kulturhistorisch bedeutenden Industrieanlage. Vor diesem Hintergrund hatten die Bewohner vor einigen Jahren beschlossen, das alte Töss-Kraftwerk, dessen Komponenten integraler Bestandteil des Gebäudekomplexes sind, zu renovieren und zu erweitern. Neben der intendierten Steigerung des Stromertrags standen dabei auch so zentrale Aspekte wie Hochwasser- und Schallschutz im Mittelpunkt der Überlegungen. Mit der Verlagerung der Zentrale an den äußersten Rand der Siedlungsanlage konnten gleich mehrere Probleme gelöst werden. Die Umsetzung des Gesamtprojekts stellte die Verantwortlichen allerdings auch vor erhebliche Herausforderungen.

Die natürlichen Wasserfälle der Töss in der Hard waren Ende des 18. Jahrhunderts die wesentlichen Argumente, warum man an diesem Standort – deutlich außerhalb der Stadt Winterthur – die erste mechanische Spinnerei und somit die erste Fabrik in der Schweiz errichtete. 1802 nahmen die 44 Spinnstühle den Betrieb auf, die knapp 20 Mal so viele Heimspinner arbeitslos machten. Über die folgenden Jahrzehnte folgte ein Modernisierungsschritt dem nächsten. So wurde etwa 1845 für die Spinnerei eine neue Jonvalturbine installiert. Daneben wurde der Gebäudekomplex, der im klassizistischen Stil errichtet wurde, sukzessive erweitert. 1918 wurde die Industrieanlage ans öffentliche Stromnetz angeschlossen. Doch nach Ende des Ersten Weltkriegs ging die Wirtschaft auf Talfahrt, die Krise mündete in den Niedergang der Textilindustrie in der Hard. 1924 schloss die Spinnerei ihre Pforten. Nach einem einige Jahre währenden „Gastspiel“ einer Knopffabrik, ging die Spinnerei Hard 1928 in den Besitz einer Kunststofffabrik über. Unter der Ägide dieses Unternehmens wurde die Wasserkraftanlage am Standort elektrifiziert und 1939 zwei neue Francis-Turbinen eingebaut. Bis zu seinem Konkurs 1985 blieb das Unternehmen in der Hard, ehe dem traditionsreichen Areal eine völlig andere Bestimmung zuteilwerden sollte.

Wandlung zur Wohn- und Arbeitsoase
In der ländlichen Umgebung am Stadtrand von Winterthur hatte sich 1985 aus einem losen Verband von MieterInnen in der Hard die nicht gewinnorientierte Aktiengesellschaft „Gemeinschaft Hard AG“ gebildet. Sie erwarb in der Folge die gesamte Anlage, um ein gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt Wirk­lichkeit werden zu lassen. Wohnen, Arbeit, Kultur, Landwirtschaft, Ökologie, Erholung – sollten in einem fruchtbaren Nebeneinander am geschichtsträchtigen Standort in Einklang gebracht werden. „Unsere Gesellschaft ist das Ergebnis von Selbsthilfe“, heißt es auf der Homepage der GeHa, wie sich die Gemeinschaft Hard selbst abkürzt. Viel Geld, Energie und Leidenschaft wurden in den Folgejahren investiert, um den eigenen Zielen gerecht zu werden. Heute ist die Hard nicht einfach eine „Wohnfabrik“. Vielmehr finden hier 150 Personen einen Arbeitsplatz, und ungefähr 120 Personen bewohnen heute das Areal. „Wir haben uns schon vor mehr als 25 Jahren zu ökologisch bewusstem Verhalten verpflichtet und dies in einem Energiekonzept festgehalten. Seitdem setzen wir dieses Schritt für Schritt um“, erklärt Rolf Künzle, der selbst am Standort lebt und arbeitet – und zudem seit zehn Jahren das bestehende Kleinwasserkraftwerk betreut. Er berichtet, dass das alte Wasserkraftwerk am Industrieareal seit Jahren für viele Diskussionen und einiges an Kopfzerbrechen gesorgt hatte.

Kampf dem Lärm
„Wir hatten ein Lärmproblem“, sagt der Anlagenwart. „Die alte Turbine befand sich ja direkt im Keller des Gebäudes. Der auftretende Körperschall war längst zu einer Belastung für die Bewohner geworden, darüber hinaus auch für ein etabliertes Tonstudio, in dem natürlich jedes kleinste Geräusch registriert wurde.“ Die Gemeinschaft beschloss zu handeln. 2006 wurde mit umfangreichen Lärmanalysen begonnen, es folgte eine erste Vorstudie mit einem lokalen Ingenieurbüro. Als 2008 von Seiten des Bundes die Kostendeckende Einspeisevergütung, kurz KEV, in Kraft gesetzt wurde, zeichnete sich eine wirtschaftliche Darstellung eines Umbauprojektes ab. „Die Einführung der KEV war entscheidend. Dadurch konnten wir das Projekt in Angriff nehmen“, so Künzle. Man zählte zu den ersten Kandidaten für die Erlangung der KEV und war in der Warteliste stets ganz vorn. Während sich die Vorarbeiten über Jahre hinzogen, gingen die darauf folgenden Behördenverfahren sehr schnell über die Bühne. Rolf Künzle spricht von rekordverdächtigen zwölf Monaten, ehe die behördlichen Genehmigungen von Seiten des Kantons vorlagen. In der Zwischenzeit hatte sich die GeHa vom ersten Planungspartner getrennt. Im Hinblick auf die großen baulichen Herausforderungen sah man sich nach einem Planungsbüro um, das nicht nur über große Erfahrung verfügt, sondern auch pragmatisch und flexibel auf besondere Projektanforderungen reagieren kann. Die Wahl fiel auf das Ingenieurbüro Hydro-Solar Engineering AG.

Schutz vor Hochwasser
Als technische Zielsetzung wurde ein Ausbau der Triebwassermenge von bislang 3,52 m3/s auf nunmehr 6,5 m3/s angestrebt. Zudem wurde auch die Fallhöhe ein wenig erhöht. „Parallel zum Um- bzw. Erweiterungsbau haben wir auch den Hochwasserschutz adaptiert. Das war Bestandteil der neuen Konzession und somit Pflicht. Die Töss ist für ihre blitzartigen Hochwässer berüchtigt, was wir auch während der Bauarbeiten zweimal zu spüren bekommen haben. Die Wasserhaltung war aber genügend ausgelegt, sodass der Schaden minimal war“, erinnert sich der Projektleiter von Hydro-Solar, Roman Reiner. So wurde das Profil des Einlaufkanals etwa um das Doppelte verbreitert, aber auch der Töss-Damm oberhalb der Wehranlage sowie das gesamte Ufer entlang des Oberwasserkanals wurden erhöht, sowie ein Uferschutz aus Steinbuhnen, Baumbuhnen und Uferfaschinen erstellt. Auch die Konzeption des neuen Wehrbauwerks trägt dem erhöhten Hochwasserschutz in verstärktem Maße Rechnung. Das Bauwerk wurde nicht nur in sehr massiver Betonbauweise umgesetzt, es wird auch durch die robusten, automatisch betriebenen Wehrschützen vor den Fluten der Töss geschützt, ausgelegt auf ein HQ100 mit bis zu 360 m3/s. Die Schützeneinheiten wurden – wie der gesamte Stahlwasserbau – vom Südtiroler Branchenspezialisten Wild Metal realisiert. Das innovationsstarke Unternehmen aus Ratschings hat sich speziell auf dem Gebiet Stahlwasserbau in der Wasserkraft mit Premium-Lösungen einen Namen gemacht. „Üblicherweise ist es ja so, dass die Absperrorgane bei einem Kraftwerk erst nach dem Einlauf angelegt sind. Aufgrund des Hochwasserschutzes mussten wir es hier umgekehrt machen“, so Roman Reiner. Vom Altbestand her blieben die alte Wehrstufe, der Spülkanal sowie die Fischaufstiegshilfe, ausgeführt als Vertical-Slot-Pass, erhalten. „Im Grunde haben wir hier einfach an den bestehenden Fischaufstieg angebaut“, erklärt der Planungsingenieur.

Innovativer Fischabstieg
Der besonders starke Kiestrieb in der Töss hatte in der Vergangenheit immer wieder für Probleme gesorgt. Vor allem die Fischaufstiegshilfe war bei Hochwässern häufig verlegt worden. Durch die Ausbildung eines betonierten Sporns am neuen Wehrbauwerk konnte diese Tendenz markant abgemildert werden. Der Fischpass ist heute deutlich sicherer vor ungewünschtem Kieseintrag als vor dem Umbau.
Damit die Fische in der Töss nicht nur stromauf- sondern auch stromabwärts das Querbauwerk überwinden können, musste eine Fischabstiegshilfe integriert werden. Dafür bot sich der bestehende Spülkanal an, dessen Seitenwand ebenfalls zugunsten des Hochwasserschutzes erhöht worden war. „In den Spülkanal konnten wir den Fischabstieg relativ einfach integrieren. Die Öffnung wird über eine hydraulisch betriebene Drehklappe reguliert, die mittels zweier einfacher Öffnungen sowohl den bodennahen als auch den oberflächennahen Fischen den Abstieg ermöglicht. Unterhalb haben wir eine Art Gegenschwelle angelegt, die einen Wasserpolster für einen möglichst sanften Aufprall erzeugt. Das ganze System wurde gemeinsam mit dem Amt für Fischerei des Kantons entwickelt. Umgesetzt wurde es in einwandfreier Form vom Stahlwasserbauspezialisten Wild Metal“, erklärt Roman Reiner.

Geschwemmselfrei dank verlässlicher Rechenreinigungstechnik
Speziell die Wasserfassung ist optisch von der modernen stahlwasserbaulichen Ausrüstung des Südtiroler Branchenspezialisten geprägt. Dieser lieferte nebst Schützen und Feinrechen, den gesamten Schlosserarbeiten auch eine Horizontal-Rechenreinigungsmaschine, die in ihrer Ausführung durchaus höchste technische Standards widerspiegelt. Der Reinigungsarm fährt nicht hydraulisch betrieben entlang des Querrechens, sondern elektromechanisch angetrieben. Dadurch arbeitet die Maschine auffallend geräuscharm – und zugleich sehr effizient in zwei möglichen Geschwindigkeitsstufen. Die neue Wasserfassung trägt heute wesentlich zur Reduzierung des Geschwemmsel-Andrangs im Zuleitungskanal des Kraftwerks bei. Und noch ein anderer Vorteil kam damit zum Tragen: „Für uns war wichtig, den Hauptanteil der Rechenreinigung aus dem Wohnareal verbannen zu können. Dieser erfolgt nun eben direkt an der Fassung. Schließlich bedeutete früher auch das eine Lärmbeeinträchtigung inmitten unseres Wohnraums“, sagt Rolf Künzle.

Triebwasser durchquert Wohnareal
An der neu gebauten Wasserfassung werden nun 6,5 m3/s entnommen, 800 l/s werden als Restwasser dotiert. Der weitere Weg des Triebwassers verläuft wie im Altbestand durch einen in Summe rund 500 m langen Freispiegelkanal, in dem kurz vor dem eigentlichen Siedlungsareal ein Seitenwehr zur Schwallentlastung integriert ist. Selbiges dient dem Schutz der Wohnhäuser für den Fall eines Notschlusses. Käme es hier zu einem Rückstau, würde der Kanal überlaufen – mit schlimmen Folgen für das Wohnareal. „Die ursprünglich installierte Entlastungsklappe erwies sich bei näherer Prüfung als zu langsam für den höheren Ausbaudurchfluss. Daher haben wir auch hier eine neue Hochwasserklappe von Wild Metal installiert. Sie reagiert heute im Notfall sehr schnell, innerhalb von längstens 10 Sekunden erfolgt die vollständige Entlastung hin in Richtung Tössbett“, sagt Rolf Künzle. Der weitere Triebwasserweg führt ebenfalls in einem Freispiegelkanal unter den altehrwürdigen Gebäuden hindurch, mitten durch das Wohngebiet der GeHa. „Diesen Natursteinkanal hat man im Wesentlichen so belassen, wie er war. Lediglich die extremen, bis zu 20 cm starken Kalkablagerungen wurden abgetragen“, so Roman Reiner. In einem Innenhof des Gebäudeensembles tritt der Kanal wieder an die Oberfläche und mündet in das Kopfbecken, von dem das Wasser in die Einlaufkammer gelangt. Am Kopfbecken wurde ein neuer Feinrechen mit 20 mm Stababstand eingesetzt und die alte Seilzug-RRM revidiert. Diese Maßnahmen wurde zum Gemeinschaftswerk von Betriebswart und Wild Metal, unter der Projektleitung von Rolf Künzle. Wild Metall lieferte und montierte den Rechen und die neuen Seitenwangen.

„Neu bauen kann jeder“
Bis zum Bereich der Einlaufkammer unterschied sich somit der alte Triebwasserverlauf nicht vom neuen. Doch wo im Keller des uralten Fabriksgebäudes über viele Jahrzehnte die eingebaute Turbine geräuschauffällig ihrer Tätigkeit nachging, stößt man heute nur mehr auf eine großvolumige Rohrleitung aus Glasfaserkunststoff. Es ist der Beginn einer ca. 165 m langen Druckrohrleitung DN1700, die bis zum Ende des alten, unterirdischen Auslaufkanals an der Töss führt, wo nun die neue Zentrale errichtet wurde. Die Verlegung des Maschinensatzes außerhalb der Wohnsiedlung stellt den zentralen Aspekt des Umbauprojektes dar, der auch mit den größten Hürden und Herausforderungen verbunden war. „Im Inneren Bereich der Wohnanlage ist über die Jahrhunderte sehr viel organisch gewachsen. Beim Umbau stießen wir auf viele alte Strukturen, auch auf alte Baumaterialien und Rohre. Vieles ist sehr verwinkelt und schwer zugänglich, dabei galt es, die Bausubstanz wegen des integralen Denkmalschutzes zu bewahren“, sagt Rolf Künzle und ergänzt: „Daher war gerade in diesem Bereich der Bau extrem herausfordernd. Das war auch der Grund, warum wir mit Hydro-Solar einen Planungspartner ins Boot holten, der sich all dem gewachsen fühlte. Uns war schon klar: Neu bauen – das kann jeder. Aber dafür brauchten wir Spezialisten.“ Hydro-Solar hatte das Projekt nach den Ausschreibungen übernommen, führte danach eine Projektanalyse durch und erarbeitete schließlich entscheidende Optimierung, um daraus ein Bauprojekt zu machen.

Kniffliger Leitungsbau im Uraltstollen
Von den verschiedenen Baulosen sollte sich die unterirdische Erweiterung des Triebwasserwegs als das aufwändigste herausstellen. Dass diese Arbeiten für Verzögerungen im Terminplan sorgten, lag aber nicht nur an der anspruchsvollen Baustelle, sondern auch an der komplexen logistischen Abwicklung, die nur klar abgegrenzte Arbeitsphasen zuließ. „Am Ende konnte zum Glück alles im Zeitplan realisiert werden. Aber gerade dieser Bauabschnitt im Untergrund des Altbestandes forderte den Beteiligten alles ab“, erzählt Roman Reiner. Da von unten her immer wieder Grundwasser eindrang, waren die Bauteams gezwungen, kleine Wasserhaltungen über eine Länge von etwa 30 Metern einzurichten. Pumpen förderten die schlammartige Flüssigkeit aus dem Stollen hinaus. Zum Schutz gegen das Grundwasser wurde eine Dichtfolie aufgelegt, die mit Netzen armiert wurde. Darauf ließ sich schließlich die Betonsohle errichten. Von planerischer Seite höchst aufwändig war auch die Planung des Rohrleitungsbaus. „Wir haben den Stollen mit all seinen Krümmungen, Engstellen und unerwarteten Ausdehnungen per Laser vermessen und im Vorfeld davon eine CAD-Ansicht kreiert. Damit konnten wir detailliert planen, wo welche Rohrstücke und welche Rohrkrümmer eingebaut werden mussten. Das war aufwändig, hat aber perfekt funktioniert. Es war möglich, alles mit Stan­­­­­dard-GFK-Rohren aus dem Programm von APR Allpipes Rohrsysteme (Schweiz) AG zu verlegen“, so der Projektleiter von Hydro-Solar. Für den praktischen Teil wurden kleine, flache Handwägen gebaut, um die Rohre im Stollen an ihren Bestimmungsort zu bringen. Danach wurden sie, aufgeständert auf rund 80 Stahljochen, Stück für Stück verlegt. Die Joche wurden ebenfalls von der Firma Wild Metal geliefert. Während sich die Vorbereitungsarbeiten im Stollen über mehrere Wochen erstreckten, ging die eigentliche Rohrverlegung in gerade einmal zwei Wochen über die Bühne. „Das ist natürlich auch dem einfachen Handling der GFK-Rohre zu verdanken. Mit einem schwereren Rohrwerkstoff wäre dies so nicht möglich gewesen“, argumentiert Reiner und meint ergänzend: „Zusätzlich haben GFK-Rohre hier den besonderen Vorteil, dass sie etwa bei einem Schadensfall repariert werden können, ein Ausbau wäre nicht mehr möglich.“

Leise und Leistungsstark
Wo zuvor der Auslaufstollen des alten Kraftwerks ans Ufer der Töss traf, wurde die neue Zentrale errichtet. Das Krafthaus wurde in die Uferböschung integriert, ebenfalls hochwassersicher geschützt vor einem HQ100. Im Außenbereich der Zentrale befindet sich ein Pumpenschacht, in dem zwei redundant arbeitende Pumpen das anfallende Sickerwasser aus dem Stollen nach außen pumpen. Im Inneren befindet sich das neue, moderne Herz des Wasserkraftwerks: eine doppeltregulierte Kaplanturbine aus dem Hause WATEC Hydro, direkt gekoppelt mit einem Permantgenerator, PMG. Den Maschinensatz zeichnet neben seiner geräuscharmen Betriebsweise auch der hohe Wirkungsgrad aus. Da es keine Riemen- oder Getriebeverluste gibt und ein hoher Generatorwirkungsgrad nutzt der Maschinensatz die Energie des Triebwassers mit hoher Effizienz. Hinzu kommt, dass die Maschinensätze, die von der Firma WATEC Hydro einbaufertig geliefert werden, nur einen sehr geringen Platzbedarf im Maschinenraum haben. Konkret ist die Maschine auf den Ausbaudurchfluss von 6,5 m3/s und eine Nettofallhöhe von 10,47 m ausgelegt. Dabei erreicht sie eine Leistung von 575 kW. „Wir sind mit dem Maschinensatz sehr zufrieden. Er arbeitet leise und leistungsstark, das haben die ersten Betriebsmonate belegt“, so Rolf Künzle. Die erzeugte Spannung von 400 V wird über einen Trafo auf 11 kV hochgespannt und dann ins Netz der Stadtwerke Winterthur eingespeist.

Komplexe Verknüpfung zahlreicher Anlagenparameter
Für den Anlagenwart hatte die Betreuung und Überwachung der alten Anlage bislang einen beachtlichen Zeitaufwand bedeutet. Das sollte sich ändern. Daher wurde der neuen Steuerung- und Automationsanlage des Kraftwerks auch besonderes Augenmerk zuteil. „Fassung – Seitenwehr – Einlaufbauwerk – Zentrale: bei diesem Kraftwerk gibt es sehr viele Betriebsparameter zu berücksichtigen. Daher stellte die Steuerungsanlage eine besondere Herausforderung für das beauftragte Unternehmen, Rey Automation aus Sirnach, dar“, sagt Rolf Künzle.
Tatsächlich galt es, nicht nur die zahlreichen Anlagenkomponenten in das neue SCADA-System zu integrieren, sondern auch Ideallösungen für die verschiedenen Betriebszustände zu finden. Dank der neuen Steuerung schaltet die Anlage heute etwa automatisch bei einem Sommergewitter an. Auch umgekehrt – im Falle niedriger Pegelstände – funktioniert dies so. Die Anlage bringt sich dabei selbstständig ans Netz.  Selbstverständlich ist die gesamte Anlage mit wenigen Klicks per Laptop von überall in der Ferne voll überwach- und steuerbar. „Was für uns auch sehr interessant war: Die Programmierer von Rey Automation haben das ganze System sehr offen gehalten, es wurde durchgehend in HTML5 programmiert. Das bedeutet, dass man kein spezielles Programm für den Zugriff benötigt. Dank mehrere WLAN-Hotspots kann man mit einem Laptop in die Steuerung eingreifen, was gerade in der Testphase uns als Planern sehr entgegengekommen ist“, sagt Roman Reiner von Hydro-Solar. Waren im Altbestand noch Anlagenkomponenten wie etwa der Seilzugrechenreiniger autonom gesteuert, so kann nun auf jedes Gewerke der Anlage über die zentrale Steuerung zugegriffen werden. Darüber hinaus musste entsprechend gesetzlicher Vorgaben auch eine Zugriffsmöglichkeit für den Netzbetreiber eingerichtet werden, der im Fall zu großer Netzbelastungen steuernd auf die Energieproduktion eingreifen kann.  

Stromertrag wird verdoppelt
Einen Meilenstein in der Geschichte des traditionsreichen Kraftwerksstandortes markierte die Stilllegung des alten Maschinensatzes. Am 31. März 2014 war es soweit. Am Ende eines letzten Betriebsmonates, das von zahlreichen Maschinenausfällen geprägt war, hatte das letzte Stündchen der alten Turbine geschlagen. Dazu Betriebswart Rolf Künzle: „Das war tatsächlich Matthäi am Letzten. Wir hatten im letzten Quartal schon ein wenig Glück, denn die Maschine und auch die Steuerung hätten nicht mehr lange gehalten.“ Die Stilllegung der alten Maschine bedeutete zugleich den Startschuss für den Bau des neuen Kraftwerks. In weiterer Folge gelang es der GeHa mit ihren Partnern das Projekt in rekordverdächtigen 11 Monaten zu verwirklichen. „Wir haben am 11. März des letzten Jahres zum ersten Mal mit dem neuen Kraftwerk Strom produziert“, erinnert sich Künzle. In einem Jahr mit durchschnittlichem Niederschlag wird die Anlage nun rund 2,55 GWh sauberen Strom erzeugen. Zum Vergleich: das alte Kraftwerk kam auf etwa 1,2 GWh. Somit konnte der durchschnittliche Stromertrag mehr als verdoppelt werden. Theoretisch könnte der Strombedarf in der Hard damit heute achtmal abgedeckt werden. Das erklärte Ziel, eine effektive Entflechtung des Kraftwerksbetriebs vom Bereich „Wohnen und Arbeiten“ zu erreichen, wurde mit der Zentralenverlegung ebenfalls zur Gänze erreicht.

Punktlandung im Kostenplan
Dass man den vorgegebenen Terminplan einhalten konnte, war von Bedeutung. Noch wichtiger war für die GeHa allerdings, dass der Kostenrahmen von 4,6 Mio. CHF nicht gesprengt würde. „Der Kostendruck war enorm. Daher sind wir froh, dass wir auch vor dem Hintergrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen für die Kleinwasserkraft eine Punktlandung im Kostenplan hinlegen konnten. Einen wesentlichen Beitrag dazu hat sicherlich unser Planungspartner Hydro-Solar geleistet, der uns auch in allen wirtschaftlichen Fragen beratend zur Seite gestanden ist. Im selben Atemzug ist auch noch unser Projektleiter Robin Schönenberg zu erwähnen, der auch sehr gute Arbeit geleistet hat“, so der erfahrene Betriebswart. Für die Bewohner und Gewerbetreibenden, die in der GeHa basisdemokratisch organisiert sind, war es zu Beginn nicht selbstverständlich, sich in dieses „Abenteuer“ zu stürzen, wie Rolf Künzle einräumt: „Ein Verkauf oder eine Stilllegung der Anlage standen ja nie wirklich zur Debatte. Aber, wir wussten, dass Handlungsbedarf besteht. Und nachdem wir den Aktionären das erklärt hatten, erreichten wir für die Zustimmung beinah Wahlergebnisse wie im kommunistischen Russland.“

Biber kehrt zurück
Zurecht sind die Bewohner und Gewerbetreibenden heute wieder darauf stolz, dass man die traditionsreiche Wasserkraftnutzung am Standort in der Hard weiterführen kann. Das neue Wasserrecht wurde für weitere 60 Jahre erteilt. Entsprechend der Heimfallregelung würde danach die Anlage an den Kanton gehen, die GeHA hat das Rückkaufrecht. Ein Weiterbetrieb durch die GeHa ist sehr wahrscheinlich. Neben den Hochwasserschutzmaßnahmen und der erfolgreichen Lärmeindämmung nahmen auch ökologische Maßnahmen einen hohen Stellenwert ein. Gerade im Uferbereich der Töss wurden Steinlinsen gesetzt und Buhnen errichtet und der Uferschutz verbessert. Zudem wurden im Umfeld der neuen Zentrale Ersatzaufforstungen vorgenommen. Heute fühlt sich in der Hard auch wieder der Biber pudelwohl. Als der Zulaufkanal verbreitert wurde, war er ans obere Töss-Ufer ausgewichen. Mittlerweile ist der Nager wieder zurückgekehrt. Roman Reiner von Hydro-Solar blickt heute auf eines der spannendsten und zugleich schwierigsten Wasserkraftprojekte der letzten Jahre zurück. Er sieht das neue Kraftwerk Hard als gelungenes Beispiel dafür, wie eine sinnvolle Sanierung eines Kraftwerks aussehen kann, und auch, wie man ein historisches Kraftwerk wieder wirtschaftlich betreiben kann. Mit dem neuen Kleinkraftwerk schlägt das historische Industrieareal ein neues Kapitel in der mittlerweile Jahrhunderte langen Geschichte der Wasserkraftnutzung auf.

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