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Gemeinde Seefeld in Tirol erzeugt aus Trinkwasserquelle Ökostrom5 min read

8. Mai 2017, Lesedauer: 4 min

Gemeinde Seefeld in Tirol erzeugt aus Trinkwasserquelle Ökostrom5 min read

Lesedauer: 4 Minuten

In der Gemeinde Seefeld in Tirol – wintersportaffinen Zeitgenossen bekannt als Austragungsort der nordischen Ski-WM 2019 – erzeugt seit Anfang des Jahres ein Kleinkraftwerk mit nicht benötigtem Trinkwasser sauberen Strom.

Gespeist wird die mit einer 2-düsigen Pelton-Turbine ausgestattete Anlage aus dem wichtigsten Trinkwasserreservoir der Gemeinde, den „Eppzirler Quellen“. Da die Wasserleitung in entsprechend großer Dimension bereits 2012 völlig neu verlegt wurde, musste zur Versorgung des neuen Kraftwerks lediglich ein Anschluss an das bestehende Rohrsystem hergestellt werden.

Die Errichtung des neuen Kleinkraftwerks in Seefeld ist der Erneuerung einer bestehenden Trinkwasserleitung von den Eppzirler Quellen bis zum Ortsteil Gießenbach zu verdanken. „Weil die alte Leitung teilweise schon in sehr schlechtem Zustand war, musste diese durch die Gemeinde erneuert werden. Im Zuge dessen kam schon 2009 vom mit der Planung beauftragen Ingenieurbüro Sprenger aus Aldrans der Vorschlag, die ohnehin anstehenden Arbeiten am Leitungsnetz mit dem Bau eines Wasserkraftwerks zu verbinden“, erklärt Bürgermeister Werner Frießer. „Mit einer größeren Quellableitung aus dem Eppzirl bis Gießenbach von DN400 anstatt DN300 konnte die Konsenswassermenge von 105 l/s für die Trinkwasserversorgung mit genügend Vordruck zum Pumpwerk im Ortsteil Lehenwald erreicht werden. Von diesem Pumpwerk gelangt das Trinkwasser schließlich zu den 3 Hochbehältern der Gemeinde, welche die finale Wasserversorgung übernehmen“, führt Thomas Sprenger, Geschäftsführer des gleichnamigen Ingenieurbüros aus.

Gegebenheiten optimal ausgenutzt
Das Trinkwasser der Eppzirler Quellen wird nur zu circa einem Drittel des Jahres in vollem Ausmaß benötigt, die restliche Zeit läuft das Quellwasser bei der Brunnenstube ungenutzt in den Vorfluter. Um das neue Trinkwasserkraftwerk möglichst effektiv betreiben zu können, suchte man um eine Erhöhung der Konsenswassermenge auf 200 l/s an. Diesem Ansuchen wurde schließlich stattgegeben, wodurch sich die Wasserentnahme von vormals rund 95 l/s mehr als verdoppelte. Idealerweise war zum Zeitpunkt der behördlichen Genehmigungen die Trinkwasserleitung in entsprechend großer Dimension bereits seit 2012 fertig gestellt. Für das neue Kraftwerk musste 2015 also nur mehr der Leitungsanschluss hergestellt werden, alle anderen Anlagenkomponenten wie Haupt-Druckrohrleitung und Wasser­fassung waren bereits vorhanden.

Wasserversorgung hat Vorrang
Die permanente Verfügbarkeit von Trinkwasser für die Gemeinde hat selbstverständlich Vorrang vor der Energieproduktion durch das Kleinkraftwerk. Somit wird das Trinkwasserkraftwerk bei der Nichtnutzung der Quellen zur Wasserversorgung wie ein herkömmliches Kraftwerk über den Wasserspiegel der Brunnenstube betrieben. „Die Trinkwasserleitung und die Kraftwerksleitung sind somit zwar verbunden, das Wasser wird bei der Anforderung zur Gemeindeversorgung aber nie direkt über das Kraftwerk beziehungsweise die Turbine geleitet“, sagt Amtsleiter Eduard Hiltpolt. Als kostensparender Nebeneffekt dieser Bauweise musste die Pelton-Turbine auch nicht in trinkwassergeeigneter Bauart – Edelstahlkomponenten, spezielle Lager ohne Ölschmierung – ausgeführt werden.
„Bei der Nutzung der Quellen für die Wasserversorgung wird das Kraftwerk zusätzlich über den erforderlichen Vordruck der Pumpen beim Trinkwasserpumpwerk Lehenwald gedrosselt. Im Fall eines Kommunikationsausfalls zwischen Pumpwerk und Trinkwasserkraftwerk wird die Triebwassermenge auf eine Mindestwassermenge gedrosselt“, erklärt Thomas Sprenger das Steuerungskonzept der Anlage und führt weiter aus: „Durch das zeitlich versetzte Starten und Abschalten der Pumpen der Wasserversorgungsanlage und des Kraftwerks kommt es zu Druckstößen in der Leitung. Diese Druckstöße wurden vorab für alle möglichen Fälle berechnet und entsprechende zeitliche verschobene und langsam startende Anlaufzeiten sowie Stillstandzeiten für das Trinkwasserkraftwerk vorgegeben. Bei der Inbetriebnahme wurden alle Szenarien durchgespielt und die Einstellungen optimiert.“

Trinkwasserleitung 2012 fertig gestellt
Beim Material für die 2012 verlegte Trinkwasserleitung entschied sich die Gemeinde Seefeld  zum Einsatz von hoch belastbaren Gussrohren des Schweizer Herstellers „vonRoll Hydro AG“. Geliefert wurden sämtliche Rohre, Sonderformteile und Armaturen vom Tiroler Rohrspezialisten ALPE Kommunal- und Umwelttechnik GmbH & Co KG aus Stams. Innerhalb von 2 Monaten verlegte man die rund 2.000 m lange Druckrohrleitung (DRL) DN 400 komplett in zuggesicherter Ausführung im alpinen Gelände.
Zur Verwendung für Trinkwassersysteme sind die Rohre innen mit Polyurethan beschichtet, der Außenmantel ist verzinkt und zusätzlich mit einer widerstandsfähigen Deckschicht überzogen. Die Rohrverbindung erfolgt durch ein anwenderfreundliches Steckmuffensystem. Zusätzlich lieferte ALPE noch spezielle vorgefertigte Brückenleitungen zur oberirdischen Querung des Gießenbachs. Die Bachquerung besteht aus Mantelrohren aus Stahl in feuerverzinkter Ausführung sowie innen liegenden isolierten Gussrohren.

Kraftwerksbau mit Verzögerungen
Die Genehmigungsphase für den Kraftwerksbau dauerte etwa 3 Jahre, weswegen erst im Frühjahr 2015 mit dem Hochbau des Krafthauses begonnen werden konnte. Unmittelbar nach dessen Fertigstellung stellte man den Anschluss an die bestehende Trinkwasserleitung her. Dazu verlegte man zusätzliche 90 m Gussrohre DN 400 inklusive Sonderformteile und Armaturen.
Zur Ökostromproduktion kommt eine vertikal verbaute 2-düsige Pelton-Turbine des Südtiroler Herstellers Sora GmbH zum Einsatz. Die Turbinenregelung erfolgt durch elektromechanische Regelantriebe. Als Stromwandler dient ein Asynchron-Generator der italienischen Marke „Electro Adda“. Aus Lärmschutzgründen verfügt der Generator über eine Wasserkühlung. Bei einer Nettofallhöhe von 102 m und einer Ausbauwassermenge von 200 l/s erreicht der Maschinensatz eine Engpassleitung von 171 kW, die erwartete durchschnittliche Jahresarbeit liegt bei rund 1,2 GWh.
Die gesamte hydromechanische und elektrotechnische Ausrüstung des Kraftwerks Eppzirler Quellen wurde von den ebenfalls aus Südtirol stammenden Wasserkraft-„Allroundern“ EN-CO geliefert und fachgerecht montiert. Zusätzlich programmierte EN-CO die vollautomatische Kraftwerkssteuerung mit Bedacht auf die vorrangige Trinkwasserversorgung der Gemeinde. Alle wesentlichen Parameter des Anlagenbetriebs werden durch die übersichtliche Visualisierung auf einem Steuerungs-PC im Krafthaus ausgegeben. Zusätzlich gibt die Steuerungssoftware durch Internetanbindung jederzeit Auskunft über den aktuellen Status der Stromproduktion.

Anlage nach 5 Jahren abbezahlt
Kurz nach Jahreswechsel konnte am 12. Jänner das neue Kraftwerk erstmals in Betrieb genommen werden. Ihren Regelbetrieb nahm die Anlage bereits 2 Tage später auf. Bürgermeister Frießer zeigt sich sehr zufrieden mit dem neuen Gemeindekraftwerk und stellt den an der Realisierung beteiligten Firmen ein gutes Zeugnis aus. Dass das neue Kraftwerk nicht nur einen Gewinn in puncto umweltfreundlicher Stromproduktion darstellt, vermerkt abschließend Amtsleiter Hiltpolt. Die von der Gemeinde getätigten Investitionen in den Neubau werden sich durch den geförderten ÖMAG-Stromtarif bereits in rund 5 Jahren amortisiert haben.

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