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Kraftwerk im Matschertal sorgt für Aufwertung der Region7 min read

10. Mai 2016, Lesedauer: 5 min

Kraftwerk im Matschertal sorgt für Aufwertung der Region7 min read

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Bei Wasserkraftprojekten gehen heute zumeist Begleitprojekte ökologischer Natur – aber häufiger auch andere – einher. So auch beim Bau des Kraftwerks am Saldurbach im Südtiroler Matschertal.

 

Hier sorgten gleich vier Zusatzprojekte für eine nicht unerhebliche Aufwertung der Region. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von ca. € 9 Millionen wurde im Vinschgauer Bergdorf Matsch ein Ausleitungskraftwerk mit einer installierten Leistung von 3.404 kW, eine Mittelspannungsleitung, eine neue Beregnungsanlage, eine Abwasserleitung und eine Stromversorgung für die Matscheralm realisiert. Nach Baustart im Jahr 2013 konnten mit der Inbetriebnahme des Kraftwerks am 9. November 2015 die Projekte weitgehend abgeschlossen werden.

Matsch ist eine Fraktion der Gemeinde Mals im gleichnamigen Matschertal des Südtiroler Vinsch-gaus. Das idyllische Bergdorf mit seinen umliegenden Höfen hat rund 500 Einwohner und liegt auf einer Höhe von 1584 m. Das Zentrum des Ortes bildet die Pfarrkirche des heiligen Florinus, der einer Legende nach aus Matsch stammen soll. Das Matschertal wird vom Saldurbach durchflossen, und zieht sich bis zur Weißkugel in 3.700 m Seehöhe hinauf. Dahinter befinden sich unter anderem auch die Ötztaler Alpen. Der Saldurbach wird deshalb in den Sommermonaten auch mit reichlich Gletscherwasser gespeist. Das macht ihn für die Wasserkraft natürlich äußerst attraktiv, doch bislang führte noch kein Planungsvorhaben in der Vergangenheit zu einem konkreten Projekt. Vielleicht auch deswegen, weil das Matschertal in hohem Maß unberührte Natur aufweist. Sollte ein Kraftwerksprojekt hier spruchreif werden, war ein nachhaltiges Konzept gefordert.

Matsch und Mals zeigen Mut
Als erschwerend kam der Umstand hinzu, dass das Förderkontinget für die Kleinwasserkraft in Italien in den letzten Jahren gesunken ist. Trotz des geringen Einspeisetarif zeigten sich die Gemeinde Mals und die Fraktion Matsch gewillt, ein Projekt für die zukünftigen Generationen im Matschertal umzusetzen. Gemeinsam wurde zu diesem Zwecke die Saldur Konsortial GmbH gegründet und die Planung eines Kraftwerks am Saldurbach in Auftrag gegeben. Hierfür wurde das ebenfalls aus Mals stammende Planungsbüro „Ingenieure Patscheider & Partner GmbH“ ins Boot geholt. Das etablierte Südtiroler Traditionsunternehmen aus dem Vinschgau wurde zudem mit der Durchführung der Ausschreibung, der Genehmigungsphase und der Projektleitung betraut.

Neue 20 kV Mittelspannungsleitung für das Matschertal
Das Vorhaben am Saldurbach rief schon bald weitere Initiatoren auf den Plan, die sich mit eigenen Projekten dem Kraftwerksprojekt anschließen und die dabei entstehenden Synergien nutzen wollten. Die technische Infrastruktur von Matsch war in die Jahre gekommen. So sorgte noch eine alte 10 kV Freileitung für die nötige Stromversorgung in der Region. Der stetig steigende Energieverbrauch und die Exponiertheit der Freileitung in den Wintermonaten brachte die Gefahr langer Stromausfälle mit sich. Die Verlegung einer neuen Mittelspannungs-Erdleitung ist jedoch sehr kostenintensiv und somit bei 500 Einwohnern schwer wirtschaftlich darzustellen. Da kam für Matsch das Kraftwerksprojekt genau richtig, denn die bestehende Freileitung wäre für einen Stromtransport völlig unzureichend gewesen. Der Netzbetreiber Selnet stand somit in der Pflicht, wie in Südtirol bei Kraftwerksprojekten vorgeschrieben, die nötige technische Infrastruktur herzustellen. So konnten sich die Bewohner von Matsch nun über die Verlegung einer neuen 20 kV Erdleitung freuen.

Strom für die Alm und neue Abwasserleitung für Matsch
Diese Chance nütze auch die nahegelegene Matscheralm und beantragte einen Anschluss an das Stromnetz. Zuvor versorgte sich die Matscheralm in den Sommermonaten noch autark. Im Winter musste gänzlich auf Strom verzichtet werden. Der Almwirtschaft bieten sich nun dank einer durchgehenden sicheren Stromversorgung neue Möglichkeiten. Die Grabungsarbeiten für Druckrohr- und 20 kV Mittelspannungsleitung nützte die Gemeinde zusätzlich, um die Mitverlegung einer Abwasserleitung in Auftrag zu geben. Einige Höfe bei Matsch konnte so nun erstmals an das regionale Abwassersystem angeschlossen werden.

Neue Beregnungsanlage
Doch damit nicht genug, denn ein weiteres Begleitprojekt gesellte sich in Form einer Beregnungsanlage hinzu. Hierfür muss man wissen, dass der Vinschgau durch seine besondere Kessellage am Alpensüdrand zu einer der sonnenreichsten und trockensten Gegenden im Alpenraum zählt. So müssen selbst Grünflächen künstlich bewässert werden. Zuständig für die dafür benötigte Infrastruktur ist das Bonifizierungskonsortium Vinschgau – eine Körperschaft öffentlichen Rechts. In Matsch sollten die Bauarbeiten nun genutzt werden um die alten Bewässerungswaale durch ein modernes Beregnungssystem zu ersetzen. Hierfür schloss sich das Bonifizierungskonsortium dem Kraftwerksvorhaben mit einem umfangreichen Begleitprojekt an. Die Planung übernahm auch hier das Malser Ingenieurbüro Patscheider & Partner.

Coanda-Rechen am Upitalbach
Für die Dotation der Beregnungsanlage wurde am Upitalbach, einem Zufluss des Saldurbachs, eine eigene Wasserfassung in Form eines Coanda-Rechens errichtet. Dieser wurde vom Südtiroler Stahlwasserbauexperten Gufler Metall konstruiert und gefertigt. Außerdem lieferte Gufler auch sämtliche Schütze und Armaturen für die Apparatekammer. Der Coanda-Rechen wurde auf eine Ausbauwassermenge von 250 l/s dimensioniert. Die Höhe der Restwasserabgabe ist fix mit 20 l/s vorgeschrieben. Um die Versorgungssicherheit für die Beregnungsanlage zu garantieren, wurde die Beregnungsanlage an die Druckleitung des Kraftwerks angeschlossen. Sollte der Upitalbach also zu wenig Wasser führen, so holt sich die Beregnungsanlage das fehlende Wasser aus der Kraftwerksleitung. Hierfür wurde in der Druckhaltekammer des Beregnungssystems ein Schwimmerventil installiert, das bei einem Absinken des Wasserstandes aufmacht und Wasser aus der Druckrohrleitung einlässt.

Tirolerwehr am Saldurbach mit Geschiebe-Spülschütz
Für die Wasserfassung des Kraftwerks wurde am Saldurbach ein robustes Tirolerwehr aus dem Hause Gufler in Kombination mit einem Zweikammer-Entsanderbauwerk realisiert. Letzteres wurde großzügig angelegt, da der Saldurbach besonders in den Sommermonaten viel Geschiebe mit sich transportiert. Aus diesem Grunde wurde im Tirolwehr auch ein Spülschütz integriert. „Wir hoffen dadurch angesammeltes Geschiebe im hinteren Wehrbereich weiterspülen zu können“, so Dr. Ing. Walter Gostner, Geschäftsführer und Verantwortlicher für den Bereich Wasserbau der Ingenieure Patscheider & Partner GmbH. Vor allem der in Fließrichtung gesehen rechte Wehrbereich soll dadurch frei gehalten werden, denn hier befinden sich zwei Einläufe. Zum einen der Wintereinlauf und zum anderen die fixe Restwasserentnahme. Ein durch einen Durchflussmesser gesteuerter Schieber sorgt hierbei für die stets korrekte Restwasserabgabe von 96 l/s. In den Sommermonaten, solange die Wasserfassung über das Tirolerwehr erfolgt, muss zusätzlich eine dynamische Restwasserabgabe in der Höhe von 25 % abgegeben werden. Dies geschieht durch das Überfließen der Wehrfläche in selbigem Verhältnis. Auch hier war die Firma Gufler Metall aus dem Südtiroler Passeiertal für die Umsetzung zuständig. Für die Bachverbauung, Aushub, Betonarbeiten, Geländeverbauung und den Aushub im Fassungs- und Entsanderbereich wurde das Südtiroler Unternehmen Marx AG beauftragt.

Geschweißte Stahldruckrohre
Der Wasserfassung anschließend folgt die Apparatekammer mit Rohrbruchklappe die ebenso von der Firma Gufler Metall hergestellt und geliefert wurde. Sämtliche Anlagenteile an der Wasserfassung wurden unterirdisch angelegt, um das ursprüngliche Landschaftsbild nicht zu stören. Der Eingangsbereich wurde deshalb auch mit einer ansprechenden Holzverkleidung versehen. Von der Apparatekammer gelangt das Ausbauwasser weiter in die 7,250 m lange beschichtete Stahldruckrohrleitung mit der Dimension DN800. Die Wahl des Rohrtyps war dabei eine besondere Herausforderung im Ausführungsprojekt: „Von der ursprünglich angedachten Gusslösung kamen wir zur Stahl-leitung und konnten so ca. € 1 Mio. einsparen. Die Unternehmen garantierten uns zudem auch die Verlegung der Stahlleitung in der vorgesehenen Zeit“, so Dr. Gostner. Verlegt wurden die Rohrelemente von der Firma Marx AG in Zusammenarbeit mit einem weiteren regionalen Partner. Für eine sichere Verbindung der Elemente untereinander sorgten die Schweißexperten der Firma Gufler Metall. Hier konnten die Projektverantwortlichen besonders von der Expertise des Südtiroler Stahlwasserbauers profitieren. Die Verlegung der Rohrleitung erfolgte ohne größere Probleme. In einem kurzen Abschnitt hatte man jedoch Schwierigkeiten mit einem instabilen Hang. Mittels einer Drainageleitung wird dieser nun entwässert und man hofft, das Problem dadurch in den Griff bekommen zu haben. Um potentielle Hangrutschungen festzustellen wurden anschließend an einigen Stellen noch Inklinometer gesetzt.

Krafthaus oberhalb der Reschensee-Wasserfassung
Nach Überwinden einer Nettofallhöhe von 424,7 m gelangt das Ausbauwasser in das auf rund 1.680 Metern Seehöhe gelegene, neu errichtete Krafthaus. Dieses liegt direkt oberhalb der Wasserfassung für den Stausee des Kraftwerks Glurns – dem Reschensee im Obervinschgau. Im Krafthaus sorgt eine Pelton-Turbine vom Typ PV 5-81 mit fünf gesteuerten Düsen aus dem Hause Geppert für die effektive Stromproduktion. Bei einer maximalen Ausbauwassermenge von 900 l/s und einer Drehzahl von 1.000 Upm arbeitet die Anlage mit einer maximalen Leistung von 3.404 kW. Die Steuerung des Maschinensatzes übernimmt ein modernes SCADA-System mit Fernwartung der Firma EN-CO aus Ratschings.

Inbetriebnahme Anfang November
Nach 5 Jahren Genehmigungs- und 1,5 jähriger Bauzeit konnte das Kraftwerk am 9. November 2015 schließlich erfolgreich ans Netz geschalten werden. Bei einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund € 9 Mio. wird eine durchschnittliche Jahresarbeit von ca. 11,3 Millionen kWh angepeilt.

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