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Kraftwerk Stubenberg erhält Ablöse nach 110 Betriebsjahren9 min read

31. Mai 2016, Lesedauer: 6 min

Kraftwerk Stubenberg erhält Ablöse nach 110 Betriebsjahren9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Der Bau des Alt-Kraftwerks Stubenberg im Herbst des Jahres 1905 markiert gleichzeitig den Entstehungszeitpunkt des oststeirischen Energieversorgers Feistritzwerke-Steweag GmbH.

Zu seiner Gründung trug das Unternehmen noch die Bezeichnung „Feistritzwerke, Elektrizitätswerk der Gemeinde Gleisdorf“ und ermöglichte mit seinem Kleinkraftwerk den Einzug elektrischer Energie in die Region. Die Stromproduktion der Anlage überstieg bei ihrer Fertigstellung bei weitem die Nachfrage nach der sich um die Jahrhundertwende stetig ausbreitenden Energieform. An Sonntagnachmittagen stellte man das Kraftwerk sogar komplett ab. Die Bewohner der 6 angeschlossenen Gemeinden hatten schlichtweg zu wenig Elektrizitätsbedarf. Knapp 20 Jahre später war die Stromnachfrage bereits stark gestiegen. Die Nutzung von elektrischer Energie war in der neu gegründeten 1. Österreichischen Republik der bestimmende Faktor einer sich kollektiv ausbreitenden und gleichermaßen stromhungrigen Industrialisierung geworden. 1924 erhielt das ursprünglich mit 2 Francis-Spiral-Turbinen ausgestatte Kraftwerk eine dritte Turbine gleicher Bauart und erzielte damit eine Engpassleistung von 750 kW. Die originale Maschinenausrüstung war bis zur endgültigen Stilllegung im März 2015 im Dauerbetrieb und erzeugte in etwa 882.000 Betriebsstunden rund 550 Mio. kWh Strom. Obwohl der Altbestand keinen Strom mehr produziert, bleibt er in abgewandelter Form weiter in Verwendung. Die Feistritzwerke entschieden sich für eine äußere und innere Renovierung des Gebäudes und erhalten ihr historisch wertvolles Gründergebäude als Schaukraftwerk.

EINSTIMMIGER BESCHLUSS FÜR DIE WASSERKRAFT

Den endgültigen Baubeschluss für das völlig neu zu errichtende Kraftwerk Stubenberg fällte man im Juli 2014 bei einem erweiterten Gesellschafterausschuss. Feistritzwerke-Betriebsleiter Ing. Alexander Schloffer berichtet von einem einstimmigen Beschluss für den Neubau, welcher von allen Eigentümern mitgetragen wurde. Diese Einigkeit über das Projekt war kein Zufall sondern hatte sich über die vergangenen Jahre hinweg abgezeichnet. Nachdem die Behörde das Wasserrecht für die Anlage im Jahr 2008 zum letzten Mal erteilte, machte man sich auf der Betreiberseite bereits Gedanken über die Zukunft des Kraftwerks. Dabei stand sogar eine komplette Stilllegung im Raum, wobei man diese Überlegung zugunsten des Konzeptes eines Ersatzneubaus bald wieder verwarf. „2012 erhielt die Energie Steiermark Green Power GmbH (E-Steiermark) den Auftrag von den Betreibern, die Einreichplanung für einen Neubau des Kraftwerks an der Feistritz zu erstellen. In weiterer Folge betreuten wir das Projekt über die Ausschreibungs- und Bauphase bis hin zu den finalen behördlichen Abnahmen“, erklärt E-Steiermark Projektleiter Dipl.-Ing. Peter Klampfl, welcher das Projekt in sämtlichen Phasen begleitet hat. Mit dem Vorliegen aller behördlichen Bewilligungen sowie dem finalen Baubeschluss der Feistritzwerke Steweag GmbH konnte man im November 2014 schlussendlich mit den ersten Bauarbeiten an Wasserfassung und Druckrohrleitung (DRL) beginnen. Betriebsleiter Ing. Schloffer betont im Hinblick auf die wirtschaftliche Wertschöpfungskette, dass an der Umsetzung des Neubaus bis auf eine Ausnahme nur heimische Unternehmen beteiligt waren.

STAHLWASSERBAU „MADE AND USED IN STYRIA“
Zur Erhöhung der auszunutzenden Nettofallhöhe bei gleichzeitiger Einhaltung der Vorgaben der Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer versetzte man die Wasserfassung rund 180 m flussaufwärts von der bestehenden Wehranlage. Zum Stahlwasserbau der neuen Wehranlage zählen eine 14,3 m breite aufgesetzte Fischbauchklappe, Grob- und Feinrechen mit 30 beziehungsweise 3 cm Stababstand inklusive Rechenreinigungsmaschine (RRM) sowie mehrere Spül- und Einlaufschütze. Sämtliche beweglichen Bauteile am Querbauwerk verfügen dabei über hydraulischen Antrieb. Geliefert wurden die stahlwasserbaulichen Elemente allesamt von der steirischen S.K.M. GmbH, die bekannt ist für ihre ausgefeilten technischen Lösungen. Dass bei den Produkten des steirischen Maschinenbauers aus Kammern stets die Betriebssicherheit ganz oben steht, veranschaulicht die Reinigungseinrichtung des Feinrechens. S.K.M.-Geschäftsführer und Wasserkraftwerkbetreiber Sepp Köhl ist überzeugt vom doppelten Sicherheitskonzept der RRM. Diese verfügt je Entsanderkammer über einen Teleskoparm mit einer Putzbreite von jeweils 3 m sowie einer Putzlänge von 4 m. Sollte eine der zwei Entsanderkammern, zum Beispiel für Revisionszwecke außer Betrieb gesetzt sein, kann die zweite Entsanderkammer mit einer funktionierenden Rechenreinigung weiter betrieben werden. Dadurch bleibt in Folge auch der Kraftwerksbetrieb unbeeinflusst in Gang. Sowohl die Detailplanung der hydromechanischen Bauteile als auch deren Montage  erledigten die erfahrenen Monteure exakt und fachgerecht innerhalb des gegebenen Zeitplanes.

ÖKOLOGISCHE AUFWERTUNG
Durch den Rückbau der alten Gewässerstufe erzielte man eine erhebliche ökologische Aufwertung im Projektbereich. Erstmals seit der Errichtung des Bestandskraftwerks sind Gewässerlebewesen durch das Querbauwerk nicht mehr in ihren Wanderbewegungen flussaufwärts eingeschränkt. Ermöglicht wird dies durch eine in Vertical-Slot-Bauweise errichtete Fischaufstiegshilfe, welche man mit dem bewährten System der MABA Fertigteilindustrie GmbH realisierte. Mittels 23 Becken überwinden die Wassertiere einen Höhenunterschied von fast 4 m. Gespeist wird der Fischaufstieg mit 159 l/s aus einem Teil der Pflichtwasserabgabe. Beim Entwurf der Beckengröße orientierten die Planer sich an den Leitfischarten Äsche und Bachforelle. Mit dem Einbau einer Wasserkraftschnecke neben dem Entsanderbauwerk reihen sich weitere Pluspunkte in das vorbildlich umgesetzte Gesamtkonzept des Querbauwerks. Die Schnecken-Turbine verwertet optimal die nach Abzug der FAH-Dotation verbleibende Mindestrestwasserabgabe von rund 640 l/s und kann durch ihre großzügige Auslegung bis zu 2.000 l/s energetisch verarbeiten. Bei einer Engpassleistung von 57 kW erwarten die Betreiber ein jährliches Regelarbeitsvermögen von rund 0,2 GWh. Besonders interessant macht die Wasserkraftschnecke aber auch ihr fischfreundliches Funktionsprinzip, welches durch seine langsame Drehbewegung die Möglichkeit eines Fischabstiegs eröffnet. Zur Verwendung der vom niederländischen Hersteller „Spaans Babcock“ bezogenen Schnecke war lediglich der Einbau eines zusätzlichen Einlaufschützes erforderlich. „Neben der Herstellung der Durchgängigkeit führen die Dynamisierung des Abflusses in der Ausleitungsstrecke sowie gezieltes Geschiebemanagement zu weiteren Zustandsverbesserungen im Bereich des Projektgebietes“, beschreibt Peter Klampfl die zusätzlich umgesetzten Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung.

DRUCKROHRLEITUNG KOMPLETT AUS GFK
Beim Rohrsystem setzte man auf das bewährte GFK-Rohrmaterial des Kärntner Herstellers HOBAS. Die hochwertigen Rohre sind leicht zu transportieren, mittels Muffenverbindung einfach zu verlegen und flexibel in der Handhabung. Leichte Kurven der Trassenführung lassen sich durch Abwinkelung in den Verbindungsmuffen erledigen beziehungsweise fertigt HOBAS schon werkseitig Schrägschnitte an. Für einen zügigen Baufortschritt erhalten die gefertigten Rohre eine Nummerierung und lassen sich nach der Anlieferung rasch und passgenau verlegen. Im Betrieb sorgt die extrem glatte Innenfläche für einen besonders niedrigen Reibungskoeffizienten und erzielt hervorragende Durchflusseigenschaften. Für die völlig neue, rund 1.750 m lange DRL lieferten die Kärntner ihr Rohrsystem in der Dimension DN 2000, der Druckstufe PN 6 und einer Steifigkeitsklasse von SN 10.000. Zur Rohrverlegung beauftragte man die G. Hinteregger & Söhne Bau-GmbH, welche im gleichen Zug auch die restlichen Baumeisterarbeiten für das neue Kraftwerk durchführte.

KOMPLEXE ROHRVERLEGUNG
Vom linksufrig angelegten Einlaufbauwerk weg verläuft die erdverlegte Rohrtrasse der DRL fast durchgängig im beliebten Feistritztalradweg. „Aufgrund beengter Platzverhältnisse, steiler Böschungen und der Erfordernis, dass die Rohrtrasse für Forstarbeiten mit schwerem Gerät befahrbar bleibt, wurde die DRL auf einer Länge von ca. 650 m mit einer Winkelstützmauer zur Feistritz gesichert. Trotz des Platzmangels ging die Rohrverlegung den Umständen entsprechend zügig voran und konnte nach einer Bauzeit von rund einem dreiviertel Jahr erfolgreich abgeschlossen werden“, erklärt Peter Klampfl die aufwändigen Arbeiten. Obwohl das Krafthaus sich ebenfalls am linken Ufer befindet, erforderte eine Klammengstelle eine zweifache Gewässerquerung im Trassenverlauf. Eine spezielle Herausforderung stellte zudem die Versorgung des in den Frühlings- und Sommermonaten von der Feistritz gespeisten Stubenbergsees dar, einem stark frequentierten Ausflugsziel besonders in der warmen Jahreszeit. Weil der See für Badeaktivitäten zur Verfügung steht, gelten für das Gewässer besonders strenge Hygienerichtlinien. „Um die Wasserqualität des Stubenbergsees jederzeit garantieren zu können, wird das entnommene Feistritzwasser mit einer Phosphateliminationsanlage aufbereitet, die nur eine sehr geringe Trübung zulässt. Der Bauablauf musste daher, insbesondere bezüglich Arbeiten in der Feistritz, entsprechend optimiert werden und in ständiger Abstimmung mit der Gemeinde Stubenberg erfolgen“, erläutert Klampfl die zusätzliche Projektauflage.

IDEALES MASCHINENGESPANN
Der komplette Neubau des Kraftwerks Stubenberg hatte selbstverständlich nicht nur ökologische Verbesserungen zur Folge. Mit dem auf 6,5 m³ gesteigerten Ausbaudurchfluss und dem Einsatz modernster Technik erhöht sich das jährliche Regelarbeitsvermögen von 4,6 GWh auf 6,9 GWh, genug Energie für rund 1500 Haushalte. Hauptverantwortlich für die Effizienzsteigerung des Kraftwerks zeigen sich 2 hochwertige Francis-Turbinen der GUGLER Water Turbines GmbH. Der Traditionsbetrieb aus dem oberösterreichischen Goldwörth kann auf eine umfangreiche Referenzliste an realisierten Wasserkraftprojekten rund um den Globusverweisen und stellte seine Expertise mit der Lieferung optimal abgestimmter Maschinensätze unter Beweis. Beim jahreszeitlich bedingten schwankenden Wasserdargebot und einer mittleren Fallhöhe am Bestimmungsort erwiesen sich 2 unterschiedlich dimensionierte Spiralturbinen nach Francis-Bauweise als optimales Maschinengespann. Bei einer Nettofallhöhe von 23,4 m erzielt die größere Turbine bei einer Ausbauwassermenge von 4 m³/s eine Leistung von 865 kW, ihr kleiner dimensioniertes Gegenstück erreicht 540 kW bei einem Schluckvermögen von 2,5 m³/s. Geschäftsführer Alois Gugler bekräftigt das vielfach bewährte standardisierte Design seines Produktes, das bei besten Wirkungsgraden außerordentliche Wirtschaftlichkeit und lange Lebensdauer vereint. Zusätzlich zu den Turbinen lieferte und montierte GUGLER in jeweils doppelter Ausführung die Absperrklappen zum Anschluss an die DRL, die Hydraulikaggregate zur Turbinenregelung sowie die Generatoren.Als Energieerzeuger dienen 2 direkt in horizontaler Richtung gekoppelte Hitzinger-Synchrongeneratoren mit einer Nennscheinleistung von 900 und 550 kVA.

VIEL RAUM FÜR MODERNE TECHNIK
Das neue Krafthaus direkt gegenüber dem Altbestand errichtete man gemäß den statischen Verhältnissen am Standort in massiver Bauweise. Dadurch entstand ein großzügig angelegtes Gebäude mit montagefreundlichem Einbringungsbereich, dessen Zugänglichkeit sich schon beim Einbau der hydroelektrischen Bauteile als höchst praktikabel erwies. Die per LKW zugestellten Kraftwerkskomponenten konnten bei der Anlieferung direkt durch den Hallenkran von der Ladefläche gehoben und unmittelbar danach eingebaut werden. Nach der Montage steht für Wartungstätigkeiten am Maschinensatz weiterhin genug Platz zur Verfügung. Obwohl das Alt-Kraftwerk offiziell nur mehr als technischer Zeitzeuge dienen soll, finden zwei seiner Kernbauteile weiterhin ihren Verwendungszweck. Zum einen erfolgt die Triebwasserrückführung durch eine Anbindung an den bestehenden Unterwasserkanal. Zum anderen befindet sich die weiterhin genutzte Mittelspannungsschaltanlage in einem Nebenraum des Bestandskraftwerks.

AUTOMATISIERTE STROMERZEUGUNG
Mit der Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebsetzung der elektrotechnischen Ausstattung beauftragte man die EQOS Energie Österreich GmbH. Als Partner für die Kraftwerksleittechnik wurde die MGX Automation GmbH gewählt. Beide Unternehmen gelten im Kleinwasserkraftsektor als Spezialisten für kundenspezifische Lösungen. Zum Liefer- und Leistungsumfang gehörten, abgesehen von den Generatoren, die gesamte elektrotechnische und leittechnische Ausrüstung sowie der im Krafthaus untergebrachte 1.600 kVA-Transformator. Das innovative Leittechnikkonzept ist stark dezentralisiert und vernetzt alle Kraftwerksteile intelligent miteinander. Es gewährleistet neben dem vollautomatischen Anlagenbetrieb eine höchst effektive Ökostromproduktion. Der Fernzugriff auf die ergonomische Anlagenvisualisierung mit sämtlichen Kraftwerksdaten erfolgt, wie bei MGX üblich, in gewohnt hoher Qualität über sichere VPN Verbindungen. Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit von EQOS Energie und MGX Automation konnten alle Kundenwünsche zur vollsten Zufriedenheit erfüllt werden.

INBETRIEBNAHME DEZEMBER 2015
Nach etwa einjähriger Bauzeit fand am 3. Dezember des Vorjahres die offizielle Inbetriebnahme des neuen Kleinkraftwerks an der Feistritz statt. Als Teilnehmer fanden sich neben den Gästen aus Politik und Wirtschaft zahlreiche Vertreter der am Bau beteiligten Unternehmen ein. Der Höhepunkt der Veranstaltung war selbstverständlich das erfolgreiche erste Andrehen der Turbinen, das gleichzeitig – darin waren sich die Gäste einig – den Abschluss eines gelungenen Projektes markierte. Nach der erfolgreich abgeschlossenen Probephase arbeitet das Kraftwerk schon seit Jahresbeginn im Regelbetrieb. Vermehrte Aufmerksamkeit erhält nun das historische Alt-Kraftwerk. Die aufwändige Renovierung des Schaukraftwerks steht kurz vor der endgültigen Fertigstellung und wird seine Pforten danach wieder für interessierte Besucher offen halten. Das Kraftwerk Stubenberg blickt mit viel Zuversicht in das zweite Jahrhundert seines Bestehens.

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