Technik

KW LEWA im Kampf gegen das Geschiebe6 min read

27. Juni 2014, Lesedauer: 4 min

KW LEWA im Kampf gegen das Geschiebe6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Verschlammung der Rohre und Schäden aufgrund von Geschiebe  –  das waren stets die großen Probleme des Kraftwerks LEWA im Südtiroler Sulden in der Vergangenheit. Nach 23 schwierigen…

…Betriebsjahren entschlossen sich die Betreiber ihr Kraftwerk von Grund auf zu erneuern. Mit Investitionskosten von 3,5 Mio. Euro ersetzte man die komplette Technik, baute eine neue Fassung, sanierte die Rohrleitung und ergänzte diese um einen 115 m langen Stollen. Am 6. Juni 2012 fiel der Startschuss zu den Bauarbeiten. Bereits nach sechs Monaten konnten diese erfolgreich abgeschlossen werden. Mit einer Steigerung von knapp über 13% soll nun im Regeljahr 8,5 GWh sauberer Strom für Sulden produziert werden.

Das Reinluftgebiet Sulden liegt auf 1.900m Seehöhe am Fuß der berühmten Ortler Gruppe mit ihren 14 Dreitausendern. Das malerische Dorf mit nur 350 Einwohnern besitzt einen unvergleichlichen Reichtum an Natur. Durch die besondere Lage herrscht in Sulden ein einzigartiges Mikroklima. Die Ortler Gruppe hält Luftströme aus der Poebene ab und lässt mit der geschützten Kessellage die Waldgrenze auf bis zu 2.400 Meter ansteigen.  Zusätzlich speisen die umgebenden Gletscher den Suldenbach mit reichlich Wasser. Er entwässert dabei auf seinen Weg in die Etsch eine Fläche von 161 km2. Vor über 25 Jahren entschied man, sich das Wasser des Suldenbaches zur sauberen Energiegewinnung zu Nutze zu machen. Daraus entstand das alte Kraftwerk LEWA. Damals ahnte man jedoch noch nicht, wie geschiebeträchtig das Gewässer wirklich war – schnell standen die Betreiber einem schweren Kampf – Mensch gegen Natur – gegenüber.

Laufräder bereits nach 3 Jahren ausgetauscht
Das alte Kraftwerk wurde direkt in das Schigebiet von Sulden gebaut. Die Fassung situierte man nahe der Seilbahn Mittelstation. Daraus entstand auch der Name für das Kraftwerk, denn unterhalb der Mittelstation befindet sich die Legerwand, und aus den beiden Anfangsbuchstaben geformt ergab sich der Name LEWA. Das mit zwei unterschiedlich großen, zwei-düsigen Pelton-Turbinen des Sterzinger Traditionsbetriebes Troyer ausgestattete Krafthaus im Tal produzierte im Regeljahr bei einer Ausbauwassermenge von 650 l/s eine Jahresarbeit von 7,5 GWh Strom. Jedoch schon im Laufe der ersten Betriebsjahre stellte sich ein massives Problem mit anfallendem Geschiebe heraus. Als eine Ursache offenbarte sich eine Unterdimensionierung der Fassung und vor allem des Entsanderbauwerks. Bereits nach drei Jahren mussten die Betreiber die Laufräder aufgrund massiver Beschädigungen austauschen. Das neue Laufrad versah man nun mit einer Spezialbeschichtung, was aber an der Grundproblematik nichts änderte. Mit der Zeit korrodierten auch die Rohre und infolge dessen sank auch die Leistungsausbeute ab. Im Jahre 2005 brachte man als Problemlösung eine Komplettsanierung das erste Mal auf den Tisch. Es brauchte aber bis zum Jahre 2011, bis die Sanierungspläne konkrete Formen annahmen. Angesichts der Ende 2012 auslaufenden, sehr günstigen Förderrichtlinien für die Kleinwasserkraft war jedoch Eile geboten. Der endgültige Entscheid zu den Baumaßnahmen fiel im Frühjahr 2012, und bereits am 6. Juni 2012 wurde die Anlage vom Netz genommen und mit den Sanierungsmaßnahmen begonnen.

Neubau der Fassung nötig
Basierend auf den Erfahrungswerten galt es vor allem für die Fassung und das Entsanderbauwerk ein neues Konzept zu erstellen. Mit dieser Aufgabe betraute man die Experten der Troyer AG, die das Kraftwerk schon von dessen Kindesbeinen an begleitet hatten. Auf Grundlage der langjährigen Erfahrung der Betreiber sowie der eigenen Beobachtungen aus 23 Jahren Kraftwerksbetrieb entschied man sich für ein Überlaufwehr mit seitlicher Triebwasserentnahme über einen Coanda-Rechen. Diese Wahl wurde ausschließlich im Hinblick auf eine möglichst große Geschiebeabsonderung getroffen, da sowohl im Staubereich als auch über den Coanda-Rechen bereits eine beachtliche Menge an Geschiebe abgeschieden werden kann. Auf einer Seehöhe von 2.211 m.ü.d.M. spielen Laub oder andere Geschwemmsel keine Rolle. Passend zur konzessionierten Ausbauwassermenge von 650 l/s dimensionierte man das Wehr auf eine Breite von 9 m. Für die Umsetzung des gesamten Stahlwasserbau beauftragte man das Südtiroler Traditionsunternehmen Gufler Metall GmbH. Geliefert wurde der Coanda-Rechen mit einer geringen Spaltweite von nur 0,6 mm.  Als fixe Restwassermenge werden 35 l/s abgegeben. Die hydraulisch betriebene Stauklappe wurde von Gufler Metall komplett in rohem Stahl gehalten. Der seitliche Einlaufrechen mit Grobputzrinne wurde mit Stahl gepanzert. Auch die mechanisch auslösende Rohrbruchsicherungsklappe mit der Dimension DN800 und sämtliche Schütze wurden im Hause Gufler gefertigt. Mit einer beeindruckenden Länge von 52,7 m ging man bei der Dimensionierung des Entsanders  auf Nummer sicher. Er wurde in zwei Kammern unterteilt, welche abwechselnd gespült werden können. Eine Betriebsunterbrechung ist daher nicht erforderlich.

Stollen als Risikofaktor
Die Rohrverlegung stellt bei einem Ausleitungskraftwerk üblicherweise den Risikofaktor im Projektmanagement dar. Geologische Überraschungen, Arbeitssicherung, Logistik und auch das Wetter können für unvorhersehbare Kosten und Terminrückstände sorgen. Da es sich beim Kraftwerk LEWA jedoch um eine Bestandsanlage handelte, konzentrierte sich der Großteil der Unsicherheiten auf den neu geplanten Rohrabschnitt, der einen 115 m langen Stollen mit – einem Durchmesser von 1.500 mm – vorsieht. Dieser wurde notwendig, da eine Neuverlegung an der ursprünglichen Trasse am Fuße der Legerwand  nach heutigen Kriterien einen inakzeptablen Eingriff in die Natur des Nationalparks Stilfser Joch bedeutet hätte. Der Vortrieb mit der Tunnelbohrmaschine konnte im vorgegebenen Zeitrahmen durchgeführt werden. „Wir waren wirklich beeindruckt über die Schnelligkeit der durchgeführten Bohrung“, so Günter Kössler von der LEWA GmbH. Für die Ausführung, Organisation und Montage der Rohre im Schrägstollen wurde ebenfalls die Firma Gufler Metall engagiert. Auf der gesamten Strecke wurden außerdem alle Rohre durch DN 800 Stahlrohre ersetzt und verschweißt. Besonders auf dem Gebiet des Stahlrohrschweißens haben sich die Experten aus dem Südtiroler Passeiertal in den letzten zehn bis 15 Jahren zu einem der bestetablierten Unternehmen entwickelt. Eine hohe Qualität der Schweißnaht ist für die stark beanspruchten Stahlrohre sehr wichtig und deshalb erfordert diese Tätigkeit auch ein hohes Maß an Präzision und Know-how. „Jede Schweißnaht aus dem Hause Gufler Metall wird deshalb ausschließlich von geprüften Schweißern durchgeführt“, betont Alfred Gufler.  Beim Kraftwerk Sulden wurden außerdem zusätzliche Stahlrohre für die Beschneiungsanlage verlegt und montiert.

13% Steigerung der Jahresarbeit
Den geringsten Planungsaufwand verursachten die Arbeiten am Krafthaus. Turbinen, Generatoren und die gesamte Regelungstechnik wurden durch modernste Komponenten ersetzt. Umbauarbeiten waren bis auf eine Absenkung der Fundamentplatte, auf der sich die Turbinen befinden, kaum nötig. Die anfallenden Schlosserarbeiten im Krafthaus wurden auch von der Gufler Metall GmbH übernommen. Bei der Wahl der Turbinen-Technik setzte man wie schon vor 23-Jahren auf die Troyer AG. Geliefert wurden zwei idente 4-düsige Pelton-Turbinen mit einem Durchfluss von jeweils 450 l/s und einer Nennleistung von 1.225 kW. Direkt angeschlossen ist jeweils ein Synchrongenerator der Firma Hitzinger mit einer Leistung von je 1.500 kVA bei 1.000 U/min. Bei einer Nettofallhöhe von 305,2 m rechnet man mit einer Jahresarbeit von 8,5 GWh. Das entspricht einer Steigerung von etwas mehr als 13% im Vergleich zur alten Anlage.

Sieg im Kampf gegen das Geschiebe?
Nach nur etwas weniger als sechs Monaten Bauzeit konnte das Kraftwerk bereits am 29. November 2012 wieder ans Netz gehen. Die Sanierungsarbeiten verliefen ohne Probleme und mit den beteiligten Firmen zeigte sich die LEWA GmbH äußerst zufrieden, berichtet Günter Kössler. Die Anlage läuft derzeit ohne Probleme und die Betriebsunterbrechungen konnten drastisch reduziert werden. Lediglich ein Grundwasserproblem, aufgrund der abgesenkten Fundamentplatte, sorgt noch für Kopfzerbrechen.
Der Kampf gegen das Geschiebe aus dem Suldenbach jedoch scheint nun entschieden zu sein – vorerst zumindest.

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