Projekte

KWOG Kraftwerke Obergoms AG verdreifacht ihre Erzeugungskapazitäten auf einen Schlag9 min read

27. September 2021, Lesedauer: 6 min

KWOG Kraftwerke Obergoms AG verdreifacht ihre Erzeugungskapazitäten auf einen Schlag9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Ein echtes Marathonprojekt, an dem die Projektbetreiber mehr als eine Dekade geplant und gearbeitet hatten, fand damit einen erfolgreichen Abschluss.

Rund 36 Mio. CHF investierte die KWOG, kurz für Kraftwerke Obergoms AG, in die neue Ökostromanlage, die im Jahr circa 22 Mio. kWh Strom ins Netz speist. Verantwortlich für die maschinelle wie die leittechnische Ausrüstung zeichnete der Südtiroler Wasserkraft-Allrounder Troyer AG. Für die Sterzinger bereits der dritte Auftrag durch die KWOG.

Von mächtigen Dreitausendern umgeben zählt das Obergoms im Gebirgskanton Wallis zu den naturbelassensten Gegenden der Schweiz. Gerade einmal 8 Einwohner kommen hier auf einen Quadratkilometer – somit gehört es auch zu den am dünnsten besiedelten Gebieten. Die ursprünglichen Naturlandschaften gelten als der große Schatz der Region. Im Sommer locken sie zahlreiche Wanderer und Naturliebhaber und im Winter die Langläufer auf das sonnenreiche Hochtal. Neben dem Tourismus kommt im Wallis der Wasserkraft große Bedeutung als veritabler Wirtschaftsfaktor zu. Der Wasserreichtum und große Fallhöhen stellen geradezu ideale Voraussetzungen für eine effiziente Nutzung der erneuerbaren Ressource Wasser dar. Laut dem eidgenössischen Statista Research Department nimmt der Kanton die Pole Position in Sachen Energieproduktion aus Wasserkraft ein. In den vergangenen Jahren wurden hier jährlich knapp 10 TWh aus der Kraft des Wassers produziert, gut ein Viertel des gesamten Wasserkraftstroms der Schweiz. Einen kleinen Teil davon steuerte bisher schon die KWOG mit ihren beiden Kraftwerken Ulrichen und Niderbach bei. Und vor kurzem konnte endlich mit dem Kraftwerk Gere auch ihr größtes und am aufwändigsten zu realisierendes Kleinkraftwerk ans Netz genommen werden.

Kompromiss nach Rechtsstreit
Mit dem Ziel, Wasserrechtskonzessionen zu erwerben und zu nutzen sowie Kleinwasserkraftwerke zu errichten, wurde 2009 die KWOG Kraftwerke Obergoms AG aus der Taufe gehoben. Es handelt sich um eine Partnergesellschaft mit Sitz in der Gemeinde Obergoms, an der die Gemeinde Obergoms mit 50,5 Prozent, die Elektrizitätswerk Obergoms AG mit 24,1 Prozent, die EnAlpin AG mit ebenfalls 24,1 Prozent und die Einwohnergemeinde Goms mit 1,3 Prozent beteiligt sind. Die EnAlpin übernimmt dabei die Betriebsführungsagenden der Anlagen. Bereits im Gründungsjahr 2009 hatte die KWOG ein Nutzungskonzept entwickelt, das noch im selben Jahr bei den Kantonsbehörden eingereicht wurde. Konkret ging es darin um die hydroelektrische Nutzung der beiden Bäche Gerewasser und Gonerliwasser in Oberwald. Doch das Projekt stieß auf Widerstand. Die Umweltverbände WWF, Pro Natura und Stiftung Landschaftsschutz erhoben Einspruch und zogen diesen nach langwierigen Verhandlungen bis zum Bundesgericht weiter. „Am Ende dieses Prozessmarathons wurde im April 2014 durch den Entscheid des Bundesgerichts ein Kompromiss erzielt, der einen Verzicht auf Gonerliwasser vorsah. Das neue Kraftwerk sollte somit sein Triebwasser ausschließlich aus dem Gerewasser beziehen“, erklärt Diego Pfammatter, Leiter Produktion von der EnAlpin AG. In der Folge setzten sich die Vertreter der Umweltverbände und der KWOG an einen Tisch, um letztlich auf einvernehmlicher Basis ein ökologisch vertretbares Konzept auszuhandeln. Am Ende der Gespräche stand ein ökologisches Kompromissprojekt, das im Hinblick auf sein Regelarbeitsvermögen um etwa 23 Prozent gegenüber dem ursprünglichen Konzept schrumpfte. Am 22. Juni 2016 genehmigte der Walliser Staatsrat die neue Konzession auf Basis dieser Einigung und erteilte kurz vor Weihnachten 2016 die Baubewilligung.

Witterung als Herausforderung
Das letztlich umgesetzte Konzept sieht ein Hochdruck-Kraftwerk mit einer Wasserfassung auf rund 1.645 m.ü.M. vor. Von hier wird das Wasser durch einen gedeckten Kanal zum Entsander und danach weiter in einen rund 2,5 Kilometer langen Schrägstollen geleitet. Daran anschließend gelangt es durch eine 150 Meter lange, unterirdisch verlegte Druckrohrleitung zum Zentralengebäude, das auf ca. 1.390 m.ü.M. am Fuße des Hungerbergs liegt. Die elektrische Energie, die von den hier installierten Maschinen erzeugt wird, wird ins Netz des Elektrizitätswerks Obergoms eingespeist. Im September 2017 konnten die Bauarbeiten beginnen, der Auftakt erfolgte am Portaleinschnitt für den Stollen bzw. durch die Instandsetzung der Zufahrtsstraße zur geplanten Fassung. „Die Bauarbeiten an der Wasserfassung im Geretal konnten erst im Sommer 2018 mit Verspätung starten, da der Winter 2017/2018 extrem schneereich war. Gleiches galt für den drauffolgenden Winter. Generell stellte die Witterung in den alpinen Hochlagen eine zentrale Herausforderung für die Bauarbeiten dar. Besonders die durch Südstaulagen häufig auftretenden, teils heftigen Sommergewitter waren ein Thema. Vor allem, da aufgrund der Höhenlage nur ein relativ kurzes Zeitfenster im Sommer für den Bau der Wasserfassung zur Verfügung stand“, resümiert Diego Pfammatter.

18 Monate für den Stollenvortrieb
Etwas einfacher sollte sich dagegen der Bau des 2.560 m langen Schrägstollens gestalten. Er wurde im konventionellen Sprengvortrieb ausgebrochen, die Kalotte dann auf der ganzen Länge mit Spritzbeton ausgekleidet und die Sohle betoniert. Ein seitlicher Kanal wurde integriert, welcher der Stollenentwässerung dient. Pfammater: „Die geologischen Bedingungen entpuppten sich besser, als wir das angenommen hatten. Daher konnte die geplante Dauer der Ausbruchsarbeiten um rund 2 Monate verkürzt werden.“ Nach 18 Monaten war es schließlich soweit: Am 17. Juli 2019 freuten sich Betreiber und Baufirma über den Durchstich. In weiterer Folge konnte die Rohrleitung im Stollen verlegt werden. Zu diesem Zweck kamen GFK-Rohre DN1200 der Steifigkeitsklasse SN5000 zum Einsatz, die auf vorgefertigten Rohrsätteln montiert wurden. „Wir haben bei diesem Kraftwerk eine Art hybride Leitung gewählt. Für den oberen Abschnitt mit geringerem Druck haben wir auf GFK-Rohre gesetzt, danach auf duktile Gussrohre DN1000“, so der Projektleiter von EnAlpin.

„Hybride“ Kraftwerksleitung
Der Einsatz der GFK-Rohre stellte dabei so etwas wie eine Schweiz-Premiere dar. Zum ersten Mal brachte das internationale Rohr-Unternehmen Future Pipe Industries, kurz FPI, seine Produkte bei einem eidgenössischen Wasserkraftprojekt zum Einsatz. Das Unternehmen, dessen Zentrale in Dubai ansässig ist und weltweit rund 3.300 Mitarbeiter beschäftigt, gehört heute zu den weltweit größten Herstellern von glasfaserverstärkten Kunststoffrohren. Dass die Verantwortlichen des Kraftwerksprojekts auf die GFK-Rohre „FiberstrongTM“ von FPI setzten, lag nicht zuletzt an der hohen Wirtschaftlichkeit und am einfachen Handling der Rohre, das sich speziell bei der Verlegung im Stollen bezahlt machte. Neben den Rohrschüssen lieferte FPI auch Bögen, Mannlöcher, Flansche sowie Reduzierungen. Der untere Teil des Kraftabstiegs besteht aus duktilen Gussrohren. Dabei handelt es sich um hochwertige und langlebige Duktilgussrohre vom französischen Hersteller PAM Saint-Gobain. Geliefert wurden diese Rohre von der Schweizer Branchenspezialistin Wild Armaturen AG aus Rapperswil-Jona im Kanton St. Gallen, die am Schweizer Wasserkraftmarkt einen ausgezeichneten Ruf genießt. Das Rohrsystem für das Kraftwerk Gere wurde mit der bewährten TIS-K Schubsicherung ausgeführt, die eine längskraftschlüssige Verbindung der einzelnen Rohrstücke ermöglicht. Dadurch entsteht ein widerstandsfähiges und flexibles Rohrleitungssystem, das kaum Betonwiderlager benötigt.

Stark schwankende Wasserführung
Im Herbst 2018 wurde mit dem Bau der Maschinenzentrale in Oberwald begonnen. Hier sollten in den nächsten Monaten nicht nur die beiden geplanten Maschinengruppen, sowie sämtliche Hilfsaggregate, Steuerungseinheiten und Absperrorgane, sondern auch die beiden Maschinentransformatoren und die 9-feldrige Mittelspannungsanlage untergebracht werden. Aufgrund der stark schwankenden Wassermengen des Gerewassers musste eine elektromaschinelle Lösung gefunden werden, die unter diesen Bedingungen noch effizient und zuverlässig Strom erzeugt, wie Pfammatter bestätigt: „Das Wasser für den Turbinenbetrieb unterliegt hier Schwankungen zwischen minimal 85 l/s und maximal 3.000 l/s – also unserer Ausbauwassermenge. Daher brauchte es eine Maschinenlösung, die diese Spreizung bestmöglich abdeckt.“ Man entschied sich für zwei 4-düsige Peltonturbinen aus dem Hause Troyer AG im Größenverhältnis 1:3. Dass die Wahl auf Turbinen des Sterzinger Wasserkraftunternehmens fiel, lag nicht zuletzt daran, dass die KWOG bereits Erfahrungen mit Troyer-Turbinen in ihren beiden anderen Werken gesammelt hatte – und diese waren schlichtweg sehr gut. Ende Mai 2018 erhielt der Südtiroler Wasserkraft-Allrounder den Zuschlag im Rahmen der Ausschreibung. Das Komplettpaket umfasste dabei neben den beiden Turbinen auch die Kugelschieber mit Revisionsdichtung, zwei Kühlsysteme, die beiden WKV-Generatoren mit Gleitlagern, zwei Hydraulikaggregate sowie die Steuerung der kompletten Anlagen inklusive Visualisierung.

Kein Zeitverlust durch Corona
„Durch den raschen Baufortschritt des Kraftwerks einerseits und der zügigen Turbinenfertigung bei uns im Werk anderseits konnten wir die beiden Turbinen inklusive Ringleitung und Kugelschieber früher als geplant, schon im Dezember 2019, anliefern. Ausgerechnet an diesem Tag verschönerte ein Wintereinbruch das Obergoms, die Anlieferung bei dichtem Schneefall gestaltete sich damit durchaus   heikel. Vor der Zentrale musste daher extra noch einmal umgeladen werden“, erinnert sich der Projektleiter der Troyer AG, Hubert Wassertheurer.  Für besonderes Ungemach sorgte der erste Corona-Lockdown im Hinblick auf die Montagearbeiten, wodurch sich trotz spezieller Sicherheitsmaßnahmen immer wieder Unterbrechungen ergaben. Nach dem Lockdown habe man allerdings, erzählt Wassertheurer, die Mannstärke für die Montage erhöht, um den Zeitverlust wieder aufzuholen: „Das klappte in der Folge so gut, dass wir sogar einen Monat früher in Betrieb gehen konnten. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch beim Team der EnAlpin bedanken, das uns sowohl während des Corona-Lockdowns als auch danach bestens vor Ort unterstützt hat.“

Effiziente Maschinenlösung
Am 24. Juli dieses Jahres erreichte das Projekt den letzten großen Meilenstein: Die Maschinen wurden erstmalig angedreht. Seit der Probebetrieb in den darauffolgenden Wochen erfolgreich abgeschlossen wurde, sind die beiden Maschinengespanne im Einsatz. Mit 600 Upm dreht die größere Turbine, die bei einer Ausbauwassermenge von 2.250 l/s und 244 m Netto-Fallhöhe eine Nennleistung von 4,85 MW erreicht. Die kleinere „Winterturbine“ ist bei einem Schluckvermögen von 750 l/s und einer Nenndrehzahl von 1.000 Upm auf eine Nennleistung von 1,6 MW ausgelegt. Dank eines ausgeklügelten Laufrad- und Turbinendesigns ist sie in der Lage, auch geringste Wassermengen noch effizient zu verarbeiten, sodass das Kraftwerk selbst in den wasserarmen Wintermonaten nicht abgestellt werden muss. Direkt an das fliegende Ende der Laufradwellen ist jeweils ein leistungsstarker Generator aus dem Hause WKV gekoppelt. Beide Generatoren sind mit Gleitlagern und einem effizienten Kühlsystem ausgeführt. Bislang haben sich die beiden Maschinengespanne im täglichen Einsatz bewährt, wie Diego Pfammatter betont. „Wir sind mit der Performance der Maschinen bisher sehr zufrieden. Die prognostizierten Erzeugungswerte werden erbracht, und auch in Bezug auf Lagertemperaturen und Vibrationen gibt es nichts zu beanstanden.“ Er verweist darauf, dass im nächsten Sommer, zum Höhepunkt der Schneeschmelze, noch umfangreiche Volllasttests auf dem Programm stehen.

Mit ökologischer Verantwortung
Neben der Technik wurde auch auf ökologische Belange großes Augenmerk gelegt. Zum einen wurde an der Wasserfassung ein Fischabstieg integriert, zum anderen wurden die bestehenden Schwellen unterhalb der Wasserrückgabe nach dem Zentralengebäude ­fischgängig gestaltet. „Als Ersatzmaßnahme für das Kraftwerk Gere hat sich die KWOG dazu verpflichtet, die Goneri vor der Einmündung in die Rhone bei Oberwald aufzuwerten. In einem ersten Schritt wurde die Fischgängigkeit hergestellt, in einem weiteren sollen das Bachbett erweitert und renaturiert werden“, umreißt Pfammatter die ökologischen Maßnahmen. Parallel dazu wird zudem auch der Hochwasserschutz für Oberwald verbessert. In Summe stehen für die Ausgleichsmaßnahmen rund  750.000 Franken zur Verfügung.

Ökostrom für 5.000 Haushalte
Insgesamt flossen rund 36 Millionen CHF in die Realisierung des neuen Kraftwerks Gere. Mit seinen beiden Maschinensätzen, die eine Engpassleistung von 6,25 MW erbringen, wird die neue Ökostromanlage im Regeljahr rund 22 GWh ins 16-kV-Netz der Elektrizitätswerke Obergoms AG einspeisen. „Das entspricht etwa dem Elektrizitätsbedarf von 5.000 Walliser Haushalten – oder umgerechnet dem Ertrag aus einer Photovoltaik-Anlage mit einer Gesamtfläche von 120.000 m2“, rechnet Diego Pfammatter vor. Das Kraftwerk erfüllt sämtliche Kriterien des eidgenössischen Energiegesetzes und arbeitet dank zugesicherter Einspeisevergütung aus dem KEV hoch wirtschaftlich. Für die KWOG hat es sich am Ende doch bezahlt gemacht, hart­näckig zu bleiben und einen langen Atem zu beweisen. Mit ihrem neuen Kraftwerk Gere konnte sie ihre jährliche Gesamtproduktion nun fast verdreifachen.

Teilen: