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Modernisierungspaket bringt Schweizer Kraftwerk Madulain wieder in Schuss6 min read

22. November 2021, Lesedauer: 4 min

Modernisierungspaket bringt Schweizer Kraftwerk Madulain wieder in Schuss6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Rund ein Dreivierteljahr nach dem Beginn einer grundlegenden Modernisierung ging das Graubündner Wasserkraftwerk Madulain der Repower AG im Sommer 2020 wieder ans Netz.

Im Zuge der Sanierung wurden unter anderem die Steuerung, die Leittechnik, die Elektroinstallationen, die Mittelspannungs-Schaltanlage und der Blocktransformator erneuert sowie die 2-düsige horizontale Pelton-Turbine und der Synchron-Generator umfassend revidiert. An der auf 2.077 m ü. M. situierten Wasserfassung fokussierten sich die Arbeiten auf die Erneuerung von sekundärtechnischen Komponenten. Die Revitalisierung der auf knapp 1.530 kW maximale Leistung ausgelegten Turbine erledigte der Südtiroler Wasserkraftexperte Troyer AG. Den Austausch des gesamten elektrotechnischen Equipments führte Repower in Eigenregie durch. Dank der Gesamterneuerung konnten die Betriebssicherheit und die Anlagenverfügbarkeit erheblich verbessert werden.

Das am Dorfrand der Graubündner Gemeinde Madulain errichtete Wasserkraftwerk Madulain nahm im Dezember des Jahres 1903 erstmals den Betrieb auf. Zur Stromgewinnung wurde der Gebirgsbach Ova d‘Es-cha ausgeleitet und das Triebwasser über eine Druckrohrleitung zu vier, in einem Patrizierhaus untergebrachten Turbinen geführt. Unter Volllast erbrachten die Maschinen eine gemeinsame maximale Leistung von ca. 600 kW, die Generatoren der Kraftwerks-Erstausstattung waren auf eine Nennscheinleistung von jeweils 150 kVA ausgelegt. 1920 wurden die Maschinengruppen 3 und 4 gegen eine einzelne Maschine getauscht, die Gruppen 1 und 2 sollten 1930 ebenfalls durch einen Solo-Maschinensatz ersetzt werden. Zu Ende der 1970er Jahre hatten die technischen Gewerke der Anlage ihren Zenit schließlich überschritten und sollten grundlegend erneuert werden, lediglich die baulich adaptierte Kraftwerkszentrale blieb erhalten. Der Umbau startete im Sommer 1979, im Dezember 1980 ging die Anlage wieder ans Netz. Bei der Neuausführung wurde der 1.779 m lange Kraftabstieg komplett ersetzt und eine neue Wasserfassung errichtet. Im Krafthaus tauschte man die Maschinensätze gegen eine einzelne 2-düsige Pelton-Turbine mit direkt gekoppeltem Generator aus, darüber hinaus wurde die Elektrotechnik erneuert. Anstelle der alten Rohre mit einem Durchmesser von 350 mm wurde die neue Druckrohrleitung mit spiralgeschweißten Stahlrohren mit einem Außendurchmesser DN470 ausgeführt. Zur Rohrverbindung setzte man auf „Dressler“-Kupplungen. In diesem Zusammenhang weist Thomas Grond, Leiter der Repower Unternehmenskommunikation auf eine Besonderheit hin: „Die Grabungsarbeiten neben dem Es-cha-Bach nutzten die Madulainer Bauern dazu, um neben der neuen Kraftwerksleitung eine kleine ‚Milchpipeline‘ von der Alp ins Dorf zu verlegen. Das obere Drittel dieser Leitung wird noch heute zum Transport von frischer Milch verwendet.“ Mit der größer dimensionierten Druckrohrleitung konnte in weiterer Folge auch eine erhöhte Ausbauwassermenge genutzt werden. Dies führt dazu, dass sowohl die Anlagenleistung als auch die Stromerzeugung deutlich gesteigert wurden. Die neue Konzession für einen Zeitraum von 80 Jahren wurde dem Kraftwerk Madulain kurz vor dem Beginn des Umbaus 1979 erteilt.

Retrofitprogamm für Traditionskraftwerk
Zur Halbzeit der Konzessionsdauer startete die Betreibergesellschaft Repower, die mit ihren zahlreichen Wasserkraftwerken alljährlich rund 1.365 GWh Ökostrom erzeugt, im November des Vorjahres die umfassende Modernisierung der Kraftwerkszentrale. „Aufgrund vermehrter technischer Gebrechen und damit einhergehender Betriebsausfälle in der jüngeren Vergangenheit war es an der Zeit, die Anlage auf den neuesten Stand der Technik zu bringen“, erklärt Reto Isepponi, seines Zeichens Leiter der Abteilung Planung Elektromechanik bei Repower. Neben der Erneuerung der Sekundärtechnik im Krafthaus und der Wehranlage wurde im Rahmen der Revitalisierung auch die Druckrohrleitung einer genauen Inspektion unterzogen. Dazu wurde der Kraftabstieg an zwei Positionen geöffnet und mit einer mobilen Kamera befahren. Bedingt durch den generell guten Zustand der Rohrleitung mussten lediglich punktuelle Ausbesserungen des Korrosionsschutzes durchgeführt werden. Die wesentliche Herausforderung bestand laut Isepponi darin, für das Wiederverschließen der Druckleitung passende Dichtungen zu den vorhandenen Dressler-Kupplungen am Markt zu finden. Der fachgerechte Zusammenschluss der Druckleitung wurde vom Schweizer Unternehmen Fäh AG ausgeführt.

Neue Sekundärtechnik für Wehranlage
Ebenfalls modernisiert wurde die Sekundärtechnik der auf 2.077 m ü. M. gelegenen Wehranlage. Diese wurde bei der Neuerrichtung vor rund 40 Jahren funktionell relativ einfach konzipiert. Über einen Einlaufschütz gelangt das aus dem Gewässer entnommene Triebwasser in ein unterirdisches Entsanderbecken, in dem die Messsonde der pegelgeregelten Turbine installiert wurde. Der Grund­ablass der Wehranlage befindet sich ebenfalls im Entsander. „Der Bach führt generell wenig Geschwemmsel mit sich, weswegen auf den Einbau einer separaten Rechenreinigungsmaschine verzichtet werden konnte. Auch der Sedimenteintrag hält sich in Grenzen. Mit kontrollierten Spülungen haben wir das Geschiebemanagement gut im Griff“, so Isepponi. Im Zuge der Sanierung wurde der Wehrschütz renoviert, an den übrigen Schützen und Rechen erfolgten Instandhaltungsmaßnahmen, alle Komponenten wurden darüber hinaus gereinigt und auf Ihre Funktion hin überprüft. Ebenfalls ausgebessert wurden punktuelle Beschädigungen des Betonbaus. Komplett erneuert wurden hingegen die elektrotechnischen Komponenten der Wasserfassung, darunter verschiedene Sensoren und die Fernanbindung zur Zentrale.

Troyer bringt Turbine auf Vordermann
Die Modernisierung der Kraftwerkszentrale konnte ohne Beton- und Stemmarbeiten umgesetzt werden. Begünstigt wurde das Projekt nicht zuletzt durch die problemlose Zufahrtsmöglichkeit zum Betriebsgebäude. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ein Sanierungsprojekt bei solch guten logistischen Rahmenbedingungen durchgeführt werden kann“, merkt Isepponi an. Zur umfassenden Sanierung der horizontalachsigen Pelton-Turbine beauftragte Repower den renommierten Südtiroler Wasserkraft-Allrounder Troyer AG. Die Demontage der auf 397 m Bruttofallhöhe und 500 l/s Schluckvermögen ausgelegten Maschine erfolgte in Zusammenarbeit mit Repower-Personal, wobei sich der im Krafthaus befindliche Hallenkran mit einer Hublast von 5 t als sehr nützlich erwies. Die Instandsetzung der Turbinenteile wurde im Troyer-Werk in der Stadtgemeinde Sterzing durchgeführt. Dabei wurden unter anderem das aus einem Edelstahl-Block gefräste Pelton-­Laufrad und der Turbineneinlauf wieder auf Vordermann gebracht.  Am Turbinengehäuse wurde der Korrosionsschutz erneuert. Darüber hinaus lieferte Troyer ein neues Hydraulikaggregat für die Regelung der beiden Pelton-Düsen und einen neuen Kugelhahn, der ebenfalls hydraulisch bewegt wird. Der luftgekühlte, direkt mit der Turbinenwelle gekoppelte Synchron-Generator wurde vom Schweizer Unternehmen Gebrüder Meier AG saniert. Bei der Revidierung des Energiewandlers wurde die gesamte Sensorik ersetzt, das Gleitlager getauscht und ein neuer Spannungsregler eingebaut.

E-Technik von Repower installiert
„Das Engineering der neuen Sekundärtechnik, die Montage- und Verkabelungsarbeiten, sowie die Inbetriebsetzung wurden von internem Repower-Personal durchgeführt“, erklärt Isepponi. Das elektrotechnische Equipment wurde durchwegs von bekannten Unternehmen aus der E-Technik Branche bezogen, deren Ausrüstung in allen Repower-Anlagen zum Einsatz kommt. „Dies bringt hinsichtlich des Ersatzteilmanagements, aber auch bei der Störungssuche und -behebung ­wesentliche Vorteile mit sich“, so Isepponi. Neben der Mittelspannungsschaltanlage und dem 16-kV-Blocktransformator wurden auch der Eigenbedarfs-Transformator und die Niederspannungs-Hauptverteilung erneuert. Der elektronische Turbinenregler, die Maschinensteuerung sowie die Schutz- und Synchronisiereinrichtungen wurden ebenfalls von Repower in Eigenregie installiert. Für die Regelung dieser Anlage setzte Repower zum ersten Mal auf einen selbst entwickelten Turbinenregler. In diesem Zusammenhang weist Isepponi darauf hin, dass das Kraftwerk Madulain schon vor der Modernisierung an das zentrale Repower-Leitsystem angeschlossen war. Dank der Erneuerung stehen den Betreibern nun weitaus verbesserte und detaillierte Überwachungs- und Regelfunktion zur Verfügung.

Ökostrom für 1.300 Haushalte
Das allgegenwärtige Thema im Jahr 2020 – Corona – wirkte sich auch auf die Modernisierung des Kraftwerks Madulain aus. Gewisse e-technische Komponenten konnten erst mit mehreren Monaten Verspätung ausgeliefert werden. Rund acht Monate nach Projektbeginn erfolgte im Sommer schließlich die Wiederinbetriebnahme der rundum erneuerten Anlage. „Im Hinblick auf die Leistung bzw. den Stromertrag führte die Revision zu keinen nennenswerten Steigerungen. Die Anlagenverfügbarkeit konnte anhand der durchgeführten Erneuerung allerdings massiv erhöht werden. Die vermehrten Betriebsausfälle in den letzten Jahren gehören nun der Vergangenheit an. Wir sind guter Dinge, dass wir das Kraftwerk bis zum Ende der Konzession weitgehend störungsfrei betreiben können“, resümiert Isepponi. In Summe investierte Repower rund 2,3 Millionen CHF in die Modernisierung ihres Traditionskraftwerks, dessen Jahreserzeugung von ca. 6 GWh den Strombedarf von rund 1.300 Durchschnittshaushalten abdeckt.

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