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St. Galler Energieversorger baut auf eigene Wasserkraftressourcen19 min read

20. Juli 2020, Lesedauer: 12 min

St. Galler Energieversorger baut auf eigene Wasserkraftressourcen19 min read

Lesedauer: 12 Minuten

Es war ohne Zweifel ein Mammutprojekt für das EW Mels, das im Sarganserland seit Jahrzehnten seine Abnehmer mit Strom aus Wasserkraft versorgt.

Im Zuge eines umfassenden Erneuerungs-, Sanierungs- und Erweiterungsprojekts, in das die Gemeinde in Summe rund 25,8 Millionen CHF investierte, konnte einerseits die Betriebssicherheit wiederhergestellt und anderseits ein beachtliches Erzeugungsplus von über 7 GWh erzielt werden. Neben der Sanierung der beiden Staumauern und der Erneuerung des Traditionskraftwerks Chapfensee-Plons wurden noch zwei weitere Kleinwasserkraftwerke sowie ein zusätzliches Trinkwasserkraftwerk errichtet. Nachdem sich der bürokratische Weg bis zur Konzession über 18 Jahre und der darauffolgende bis zur endgültigen Baugenehmigung noch einmal über 3,5 Jahre hinzogen, konnte das Gesamtprojekt im Wesentlichen in knapp zwei Jahren realisiert werden. Seit Dezember 2018 sind die neuen Anlagen in Betrieb und bewähren sich im täglichen Einsatz.

Seit Jahrzehnten setzt man in der 8.600-Einwohner-Gemeinde Mels im Kanton St. Gallen auf die Wasserkraft. Bis heute stellt sie das Rückgrat der Energieversorgung dar, welche dem gemeindeeigenen EW Mels obliegt. Über ein 65 Kilometer langes Mittelspannungsnetz und ein 208 Kilometer langes Niederspannungsnetz versorgt das EWM heute knapp 4.600 Kunden. Eine zentrale Rolle in der Nutzung eigener Ressourcen kam dabei seit jeher dem Kraftwerk Chapfensee-Plons zu, das 1948 in Betrieb genommen wurde. Das Kraftwerk nutzt dabei die Speicherkapazität des Chapfensees von 430.000 m3 sowie die natürliche Gefällestufe von 550 m zwischen dem künstlich angelegten See auf 1.030 m Seehöhe und dem Maschinenhaus. Als Ende 1996 die Konzession dafür auslief, beschlossen die Verantwortlichen des EW Mels um eine Erweiterung der Konzession anzusuchen. „Wir hatten damals schon eine Oberstufe in Form des KW Weissenstein im Kopf und strebten demgemäß eine Konzessionserweiterung an“, erzählt der Geschäftsleiter des EW Mels, Erich Riget, und merkt lakonisch an: „Wir hätten nicht damit gerechnet, dass es bis zur Umsetzung am Ende so lange dauern würde. Vom ersten Brief der Konzessionserneuerung bis zur finalen Baubewilligung brauchte es 21,5 Jahre. Heute habe ich davon zwei Schränke mit Papieren.“

Handlungsbedarf war gegeben
Dabei lag im Grunde bereits dringender Handlungsbedarf vor. Das in die Jahre gekommene Kraftwerk Chapfensee-Plons benötigte zunehmend häufiger Unterhalts- und Wartungsarbeiten, es bedurfte ebenso einer dringenden Sanierung der Druckrohrleitung und der beiden Staumauern am Speicher Chapfensee. Die einzelnen Arbeiten waren nicht zuletzt deshalb mehrfach aufgeschoben worden, weil über eine lange Phase lediglich eine Übergangsbewilligung, jedoch keine rechtskräftige Neukonzession vorgelegen war. Die rund 1.625 m lange Druckrohrleitung vom Chapfensee bis zur Zentrale Plons wies bereits Anzeichen von Stahlkorrosion auf. Zudem hatte Windwurfholz Dellen in die Oberfläche der Rohre geschlagen, und die Stützen der oberirdisch aufgeständerten Druckrohrleitung drohten gegebenenfalls bei Erdrutschen abzugleiten. „Für den Fall, dass wir die Sicherheit der Anlage nicht mehr gewährleisten hätten können, wäre das Kraftwerk abzuschalten gewesen – mit eklatanten wirtschaftlichen Folgen“, erklärt Erich Riget.
Die altersbedingten Mängel betrafen aber auch bereits die beiden Staumauern an Ost- und Nordseite des Speichersees. Im Zuge einer Absenkung des Sees zeigte sich, dass gerade im Bereich der Stauhöhe massive Schäden entstanden waren. Frostschäden und Materialausbrüche sowie eine zunehmende Undichtigkeit der Staumauern waren die unliebsamen Folgen.

Gemeinde stimmt Kredit zu
Um ein Flickwerk teurer Einzelmaßnahmen zu verhindern und um zugleich die Nutzung der eigenen Wasserkraftressourcen noch effizienter zu gestalten, fasste das EW Mels den Beschluss, sämtliche Sanierungs-, Erneuerungs- und Erweiterungsmaßnahmen in ein Gesamtprojekt zusammen. Im Spätherbst 2015 stellte der Gemeinderat daher dem Volk den Antrag, dem Kredit für die geplanten Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten in der Höhe von 25,8 Millionen CHF zuzustimmen. Dr. Guido Fischer, Gemeinderatspräsident von Mels, argumentierte zugunsten des Baukredits, indem er auf die bereits vorliegende Zusage der KEV (Kostendeckende Einspeisevergütung) verweisen konnte. Dank des Umstands, dass mit Ende Februar dieses Jahres der Mindestpreis für den erzeugten Strom für 25 Jahre aus „KEV-Geldern“ gesichert war, war der Gemeindesäckel keiner zusätzlichen Belastung ausgesetzt. Ein wichtiger Begleitumstand, der letztlich auch zu einem klaren Votum der Gemeindebürger für den Baukredit führte. Mit der KEV-Förderung ist sichergestellt, dass die aus der Investition resultierenden Kosten, wie Abschreibungen und Zinsen, gedeckt sind. Die Investitionskosten haben damit auch keinen Einfluss auf den Steuerfuß der Gemeinde.

Umweltverträglichkeit wird groß geschrieben
Natürlich galt es bereits im Vorfeld, ein Höchstmaß an Umweltverträglichkeit des Projektes anzustreben. Mit der Kraftwerkssanierung wurde in der Folge auch eine vom Baudepartement des Kantons St. Gallen 2009 erlassene Schutz- und Nutzungsplanung für die Region Chapfensee umgesetzt. Demzufolge wurde auf die hydroelektrische Nutzung des Oberlaufs des Cholschlagerbachs verzichtet, zudem wurde unter anderem auf der Alp Mädems eine Naturschutzzone ausgewiesen, der Überleitkanal vor dem Chapfensee sowie der Schmelzikanal in Plons sollten renaturiert werden. „Gerade der Schmelzibach war früher nur ein einfacher Kanal. Nach der nun erfolgten Renaturierung ist er wieder ein wunderschöner Bach. Das wurde natürlich auch von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen. Doch alleine die Renaturierung des Schmelzibachs hat rund 1 Million CHF gekostet“, so Erich Riget.
Bereits bei der Planung wurde mit großer Rücksicht auf die Natur vorgegangen: Zum Beispiel wurde im Bereich der neuen Oberstufen-Anlage eine leichte Korrektur der Trasse vorgenommen. Dieser kleine Schwenk bedeutete in weiterer Konsequenz, dass man rund 1.200 m2 weniger Rodungsfläche, als ursprünglich bewilligt, benötigte. Das Konzessionsprojekt samt Umweltverträglichkeitsbericht wurde von den Umweltverbänden positiv aufgenommen. Von deren Seite erfolgte letztlich auch keine einzige Einsprache gegen das Projekt.
Die gesamte Planung wurde vom Planungsbüro Emch + Berger vom Standort Brig umgesetzt. Ihnen zur Seite standen ihre Subunternehmen Rebau Engineering AG aus Poschiavo und SP Swisscontrolling GmbH aus Niederteufen. Die Oberbauleitung hatte die UBAG Ingenieur & Planer AG aus Samstagern inne, der zudem noch die Bauherrenvertretung oblag.

Staumauersanierung bringt Sicherheit
Mit rund 3 Millionen CHF schlug die Sanierung der beiden Staumauern am Speichersee Chapfensee durchaus erheblich zu Buche. Doch die Arbeiten waren angesichts der Zunahme von Sickerwässern unumgänglich geworden. Dass man die Sanierung in das gesamte Kraftwerksprojekt mit integrierte, war insofern nachvollziehbar, als dadurch die erwartete Stillstandszeit des Kraftwerks für die Staumauersanierung mit dem generellen Stillstand während der Umbauphase der anderen Anlagenteile zusammenfiel – und somit keine speziellen Ausfallskosten entstanden.
Bei den Staumauern handelt es sich um klassische Gewichtsstaumauern. Die Ableitung von allfälligen Hochwässern wird durch einen Grundablass sowie durch einen Überlauf an der Mauer an der Nordseite gewährleistet. Neben der herkömmlichen Reparatur und Sanierung der aufgetretenen Schäden lag das Hauptaugenmerk auf der Abdichtung der Staumauern. Zu diesem Zweck wurde eine spezielle Abdichtungsschicht aufgetragen, die für die rauen Bedingungen im alpinen Bereich konzipiert ist und viele Jahre Betriebssicherheit garantieren soll. Nachdem der See im September 2017 für die Arbeiten abgesenkt wurde, konnte er im März 2018 wieder befüllt werden. Umgesetzt wurden die Sanierungsarbeiten erfolgreich von der Firma Isopermaproof aus Thusis, die das bewährte Dichtungssystem PP-DAM vollflächig auf den tragfähigen Untergrund applizierte. Dadurch braucht es keine Drainage zwischen Abdichtung und Mauerwerk. Das System PP-DAM liefert eine absolut dichte und dauerhafte Lösung, die dank des speziellen Aufbaus selbst durch meterdicke Eisschichten nicht in Mittleidenschaft gezogen wird. Außerdem können dank der enormen Reißdehnung und Reißfestigkeit der Abdichtungsmembrane Bewegungen der Staumauer problemlos aufgenommen werden.

Quellen für Stromerzeugung genutzt
Im Zuge des Vorprojekts wurden unter anderem auch Variantenstudien für die Oberstufe angestellt, um zu eruieren, wie die einzelnen Gewässer bestmöglich genutzt werden könnten, beziehungsweise welche Kombinationsmöglichkeiten energiewirtschaftlich sinnvoll wären. Am Ende kristallisierte sich eine Variante heraus, in deren Gesamtkonzept auch die Nutzung der Quellen Mädems miteinfloss. Bislang war das Wasser im Gebiet Mädems bereits gefasst, aber nicht hydroelektrisch genutzt worden. Der Plan sah nun vor, dass auf 1.065 m ü. M. das neue Kraftwerk Weissenstein entsteht, in dem das Wasser aus dem Ausgleichsbecken Mädems turbiniert wird. Neu angelegt wurde dazu das Ausgleichsbecken Mädems, ein auf 1.655 m ü.M. gelegenen Speicher mit 500 m3 Fassungsvermögen, in den mehrere Quellen einmünden. Vom Ausgleichsspeicher wurde für eine maximale Ableitung von 130 l/s eine Druckrohrleitung bis zur Zentrale Weissenstein verlegt. Die 2.750 m lange Leitung überwindet dabei einen natürlichen Höhenunterschied von 583 m. Zum Einsatz kamen zug- und schubgesicherte Rohre aus duktilem Guss der Dimension DN400 / DN300, die vom Spezialisten für Rohre und Armaturen, der Firma TMH Hagenbucher AG aus Zürich, geliefert wurden.

Neues Kraftwerk Weissenstein
In dem kleinen Zentralengebäude auf rund 1.065 m ü. M. wurde ein qualitativ hochwertiger Maschinensatz installiert, der zugleich hohe Verfügbarkeit und Effizienz in der Performance garantiert. Konkret fiel die Wahl auf eine horizontalachsige, 2-düsige Peltonturbine, gefertigt, geliefert und montiert von der Firma Andritz HYDRO aus Jonschwil. Die Maschine aus der Fertigung des Branchenprimus wurde optimal an die hydraulischen Bedingungen, also an die 130 l/s Ausbauwassermenge und die Fallhöhe von 583 m ausgelegt. Bei einem Nenndruck von 59 bar erreicht die Maschine eine Ausbauleistung von 650 kW. Die Turbine ist dabei direkt an das Wellenende des 3-phasigen Synchrongenerators aus dem Hause Hitzinger gekoppelt, der mit der hohen Nenndrehzahl von 1.500 Upm angetrieben wird. Im Regeljahr steuert der Maschinensatz im neuen Kraftwerk Weissenstein seit seiner Inbetriebnahme rund 2,36 GWh sauberen Strom zur Gesamtproduktion bei.

Trinkwasserkraftwerk Mädems
Das Trinkwasser, das aus den hochgelegenen Quellen in das neue Ausgleichsbecken Mädems geleitet wird, kann heute ebenfalls – zumindest zu einem Teil – der hydroelektrischen Nutzung zugeführt werden. Zu diesem Zweck wurde vor der Einmündung in den kleinen Speicher noch eine Trinkwasserturbine installiert. Dabei handelt es sich um eine kleine Durchströmturbine, die vom Schweizer Klein-Turbinenspezialisten Sigrist AG Turbinenbau aus Sachseln gefertigt und geliefert wurde. Die Maschine mit der Bezeichnung SIGRIST Cross Flow T16 ist zu 100 Prozent „Swiss made“ und absolut trinkwasserkonform. Die Maschine ist zwar klein, beherbergt aber durchaus viel technisches Know-how. Sie besticht nicht nur durch ihre Wartungsarmut, sondern auch durch überzeugende Wirkungsgrade, wie im Rahmen von umfangreichen Tests auf dem Prüfstand der Fachhochschule Nordwestschweiz festgestellt wurde. Die Turbine des Trinkwasserkraftwerks Mädems ist auf 70 l/s bei einer Fallhöhe von 46 m ausgelegt. Dabei erreicht die Querstromturbine – wie sie auch genannt wird – bei einer Drehzahl von 1.000 Upm 21,5 kW. Immerhin 120.000 kWh trägt die Maschine im Regeljahr zur Gesamterzeugung des EW Mels bei.

Wasserfassung mit Siphon-System
Als weitere Oberstufe zum bestehenden KW Chapfensee-Plons bot sich letztlich die bislang ungenutzte Kaskade von der Fassung Cholschlagerbach bis zum Chapfensee an. Auch hier sollte ein neues, modernes Kleinwasserkraft integriert werden. Den Plänen von emch + Berger zufolge sollte das Wasser nun in einer Anlage abgearbeitet werden, die komplett unterirdisch angelegt werden sollte.
Zu diesem Zweck wurde nicht weit vom Zentralenstandort Weissenstein die bestehende Wasserfassung Cholschlagerbach am selben Standort komplett neu errichtet. In deren Konzept ließ der erfahrene Wasserkraftbetreiber Erich Riget seine Erfahrung und sein Know-how einfließen: „Mir war in diesem Punkt wichtig, dass die Fassung an einem alpinen Wildbach robust und betriebssicher gebaut wird. Daher haben wir gemeinsam mit unserem Planungspartner emch + Berger eine Fassung mit Seiteneinzug konzipiert, über deren Einlauffenster ein kleiner Vorsprung herausragt. Darauf hat man dann längsseitig Stahlblanken vorgesetzt. Somit haben wir im Querschnitt eine Art Siphon geschaffen, der effektiv größeres Geschwemmsel, aber auch Steine und Geröll abhält.“ Dieses bislang wenig bekannte System bewähre sich mittlerweile, so der Betreiber, in der Praxis bestens. Durch den Neubau konnte der Zufluss um rund ein Drittel auf nunmehr 1,8 m3/s erhöht werden. Eine neue Dotierwassereinrichtung wurde implementiert, damit ständig ausreichend Restwasser in das Bachbett des Cholschlagerbachs abgegeben wird.

Doppel-Coanda in Spezialanordnung
Auch im Inneren der Fassung wurden höchst innovative Wege beschritten: Bevor das Wasser in den angeschlossenen Sandfang strömt, wird es über einen Doppel-Coanda-Rechen geführt. Von einem zentralen Überfall in der Mitte des Beruhigungsbeckens strömt das Wasser links und rechts über die beiden parallel zueinander angebrachten Coanda-Rechen. Im Konkreten wurden hier Coanda-Systeme vom Typ Grizzly Protec vom Südtiroler Branchenspezialisten Wild Metal installiert, die sich mittlerweile hundertfach in alpinen Fassungen bewähren – auch wenn Erich Riget zu Beginn etwas skeptisch war: „Ich konnte mir zu Anfang nur schwer vorstellen, dass dieses Patent mit dem feinen Lochblech gut funktioniert. Daher haben wir gleich nach der Installation einen Tauglichkeitstest beschlossen und haben mit einer leistungsstarken Pumpe Schmutzwasser mit 2,5 m3/s darüber geleitet – und es hat wunderbar funktioniert. Inzwischen bin ich von dem System überzeugt.“ Die Rechen verhindern den Eintrag von Material >1 mm und hält Makroorganismen effizient vom Triebwasserweg fern. Geliefert wurde der Coanda-Rechen, ebenso wie das Gros des stahlwasserbaulichen Equipments des Projekts, vom erfahrenen Stahlbauunternehmen Wild Armaturen AG aus Jona-Rapperswil.
Für den Kraftabstieg wurde hier eine Druckrohrleitung aus GFK-Rohren erdverlegt. Konkret kamen dabei über eine Länge von 640 m Druckrohre der Dimension DN1000 zum Einsatz. Dabei handelt es sich um GFK-Rohre der Marke Hobas.

Strom aus dem unsichtbaren Kraftwerk
Was das Konzept des KW Chapfensee so elegant macht, ist vor allem die Tatsache, dass sämtliche Komponenten des Kraftwerks unterirdisch angelegt wurden – und selbst vom unterirdischen Krafthaus nur sehr wenig aus der Landschaft ragt. Das Herz dieses „unsichtbaren“ Kraftwerks bildet erneut eine Durchströmturbine, wenngleich ganz anderer Dimension wie jene im Trinkwasserkraftwerk Mädems. Der traditionsreiche Wasserkraftallrounder Wasserkraft Volk AG, kurz WKV, aus Gutach im Breisgau steuerte dazu eine 420 kW starke Cross-Flow-Turbine bei, die auf eine Ausbauwassermenge von 1.780 l/s und eine Fallhöhe von 29 Meter ausgelegt wurde. Die leistungsstarke Turbine mit zwei verschieden großen Leitklappen treibt über eine Kupplung einen 3-phasigen Synchrongenerator aus dem Hause Hitzinger an. In Summe wird das „Power-Couple“ im Regeljahr rund 1,7 GWh ans Netz liefern.
Die Turbine für das KW Chapfensee wurde ebenfalls wohl bedacht gewählt. Einerseits ging es den Betreibern darum, an dieser Stelle eine sehr wartungsarme, aber zugleich auch effiziente und betriebssichere Maschine zu installieren. Darüber hinaus bietet die Turbine noch ein Qualitätsmerkmal, das man kaum bei vergleichbaren Turbinen findet: Sie hält sich auch bei wenig Wasser noch extrem lange am Netz. Dazu Erich Riget: „Wir wollten es genau wissen und haben ausgetestet, ab wann die Maschine in die Knie geht. Dabei sind wir mit der Beaufschlagung bis auf 8 kW runtergefahren, erst darunter ging sie vom Netz. Das sind weniger als 2 Prozent der Nennleistung, eine derartige Belastbarkeit nach unten kenne ich sonst von keiner anderen Maschine.“ Im Hinblick darauf, dass im Januar und Februar sehr wenig Wasser zur Verfügung steht, ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt.

Diffiziler Rückbau der DRL
Der größte Sprung in Sachen Erzeugungsplus gelang allerdings mit dem Ausbau und der Erneuerung des bestehenden Kraftwerks Chapfensee-Plons. Doch für die Umsetzung war eine ganz Reihe durchaus aufwändiger baulicher Maßnahmen erforderlich. Für die Neuerrichtung der Druckrohrleitung vom Chapfensee bis zur Zentrale Plons galt es zuerst einmal, die alte Rohrleitung rückzubauen. Und dies sollte einige Herausforderungen mit sich bringen. Mit dem Rückbau der bestehenden Stahldruckrohrleitung vom Durchmesser DN500/DN600 wurde das Bauunternehmen STRABAG mit Sitz in Schlieren betraut, die – abgesehen vom 315 m langen Stollenabschnitt – die komplette Leitung über eine Länge von 1.305 m in Zusammenarbeit mit der Firma Ecoservizi Valposchiavo rückbaute und der fachgerechten Entsorgung zuführte. Im Detail wurden sämtliche bestehenden Fixpunkte sowie die alten Aufständerungen der oberirdischen Leitung abgebrochen. Dieses Material wurde ebenso wie alte Druckleitung in ein Zwischenlager abtransportiert.
Echte Spezialisten in Sachen Schadstoffsanierung erforderte dann jener Abschnitt, in dem die alte DRL durch den Stollen verlief. „Die Druckrohrleitung war mit Schadstoffen PCB und Schwermetallen belastet, sodass wir für die 315 m Rohrleitung Spezialisten engagieren mussten“, erinnert sich Erich Riget. Die Firma Mettler-Prader aus Chur nahm sich in der Folge ebenfalls in Zusammenarbeit mit Ecoservizi Valposchiavo des Problemfalls an. Für einen professionellen Rückbau wurde die Druckrohrleitung im Stollen in eine reißfeste Spezialfolie eingepackt, um sowohl die Umwelt als auch die Atemwege der Arbeiter vor Ort zu schützen. Anschließend wurde die Rohrtrennmaschine mittels eines Rings um das Rohr gespannt. Entlang dieses Rings rotierte in der Folge ein hydraulisch betriebenes Messer, das im sogenannten Kaltschnittverfahren Stück um Stück des Rohres abtrennt. Die anfallenden Späne werden in einer Wange aufgefangen und von den Spezialisten von Mettler-Prader fachmännisch entsorgt. Die Rohrstücke wurden im Anschluss mittels Wasserhöchstdruck dekontaminiert. Innerhalb eines Monats, von Ende Oktober 2017 bis Ende November 2017 wurde dieser Spezialauftrag erfolgreich abgewickelt.

Rohrverlegung bei Eis und Schnee
Für die Verlegung der neuen Druckrohrleitung DN800 wurde schließlich ebenfalls die STRABAG mit den Tiefbauarbeiten, also dem Aushub der Rohrtrasse betraut. Die Hauptarbeiten dabei umfassten den Aushub von rund 3.500 m3 Lockergestein sowie 3.000 m3 Felsmaterial, inklusive zweier Bach- und vierer Straßenquerungen. Außerdem wurden Kontrollschächte und Fixpunkte in Ortbetonweise errichtet. Zusätzlich wurden im Abstand von 50 m Lehmriegel in der Trasse eingebaut. Während die Firma Mettler-Prader die Druckrohrleitung unteridisch verlegte, war das Team der STRABAG zusätzlich noch mit der Verlegung der Kabelrohranlagen über eine Länge von 2.600 m betraut. Im Mai 2018 konnten die Tiefbauarbeiten für die Rohrverlegung abgeschlossen werden.
Was die Wahl des eingesetzten Rohrmaterials anging, kann man ebenfalls nicht von einer Standardlösung sprechen: Die Verantwortlichen des EW Mels entschieden sich mit dem Gussrohrsystem der Firma TMH Hagenbucher für eine höchst robuste und langlebige Lösung. Konkret handelt es sich dabei um Rohre, die innen mit einer Zementmörtelschicht ausgekleidet sind und außen eine Panzerung aus Faserzementmörtel tragen. Über eine Gesamtlänge von 1.680 m wurden Rohre DN800 der Druckklassen K9, K10, K12 und K16 verlegt. Dass man mit diesem qualitativ sehr hochwertigem Rohrmaterial die richtige Wahl getroffen hatte, sollte sich schon sehr früh zeigen: Da der ursprünglich avisierte Termin für die Rohrverlegung im August 2017 nicht gehalten, sondern erst im November desselben Jahres mit den Arbeiten begonnen werden konnte, bedurfte es eines Rohrtyps, der sich auch unter schwierigsten äußeren Bedingungen verlegen ließ. Schnee und Minusgrade waren die Begleitumstände im Spätherbst, als man mit der Verlegung begann. Kein anderes Rohrmaterial kann unter derartigen Witterungsbedingungen ohne besondere Schutzmaßnahmen eingebaut werden. Dies sollte sich in diesem Spätherbst sehr deutlich zeigen. Für eine zügige Verlegung nutzte das Verlegeteam Hilfsmittel wie eine Materialseilbahn oder Forstfahrzeuge auf den schmalen Gebirgspfaden. Duktile Gussrohre mit FZM-Panzerung und der bewährten BLS/TFK-Schubsicherung eignen sich hervorragend für hohe Drücke. In Summe lieferte TMH Hagenbucher für das Gesamtprojekt in Mels Druckrohrsysteme für eine Gesamtlänge von knapp 6 km.

Maschine erfüllt die Erwartungen
Entgegen den ersten Pläne verzichteten die Bauherren aus Mels auf einen Umbau des alten Kraftwerksgebäudes in Plons. „Ursprünglich war ein Maschinenensemble, bestehend aus zwei unterschiedlichen Maschinensätzen, vorgesehen. Damit wäre ein Umbau des bestehenden Zentralengebäudes unumgänglich gewesen. Wir haben aber mit unseren beiden Partnern emch + Berger sowie der Kek (Knobel Engineering Kandertal GmbH) umgeplant, und mit dem gewählten Turbinentyp eine Lösung gefunden, die wir in die bestehenden Kubaturen einpassen konnten – auch wenn dies dazu führte, dass die neue Maschine heute in einer diagonalen Ausrichtung im Krafthaus steht“, so Erich Riget.
Die Wahl fiel somit auf eine einzelne Turbine, die sich am besten für die herrschenden Hochdruckbedingungen eignen sollte: eine 2-düsige Peltonturbine aus dem Hause WKV, die nicht nur dank hoher Wirkungsgrade, sondern auch dank einer ausgesprochenen Laufruhe überzeugt. „Die Maschine ist so leise, dass man sich daneben mühelos unterhalten kann“, schwärmt Erich Riget. Er spricht von „echter deutscher Wertarbeit“, die alle Erwartungen übererfüllt habe. Die beiden Steuerungsdüsen sowie der Strahlablenker werden über Hydraulikzylinder geöffnet, geschlossen werden sie per Federkraft. Die Anlage verfügt über ein hydraulisches Drehzahlregler-Aggregat, das für den Inselbetrieb geeignet ist und durch sehr schnelle Reaktionszeiten gekennzeichnet ist. „Diese Turbine reagiert dank des speziellen Regleraggregats und der Rittmeyer-Steuerung wirklich sehr schnell, was für den Inselbetrieb eine wichtige Voraussetzung darstellt. Sie ist ein echter Ferrari“, freut sich Joachim Kipp, Senior Commissioning Engineer bei WKV.

Maschinentechnik aus einer Hand
Bei einer Fallhöhe von 529 m und einer Ausbauwassermenge von 1,5 m3/s ist die WKV- Turbine auf eine Ausbauleistung von 7,2 MW ausgelegt. Das Laufrad treibt den Rotor des direkt gekoppelten 3-Phasen-Synchrongenerators an, der ebenfalls aus der eigenen Fertigung von WKV stammt. Der 35 Tonnen schwere Generator verfügt über eine Wasserkühlung mit einem geschlossenen Wärmekreislauf und ist auf 8.000 kVA ausgelegt. Zusätzlich weist der leistungsstarke Energiewandler eine externe Ölschmieranlage für die Generator-Lagerschmierung auf. Außerdem ist im Hinblick auf einen stabilen Inselbetrieb an der Generatorwelle eine extra Schwungmasse angebracht.Der ebenfalls von WKV mitgelieferte Kugelhahn wird über einen Hydraulikzylinder geöffnet und über ein Fallgewicht geschlossen. Außerdem wurde ein kleines Bypasssystem mit Absperrarmatur und Energievernichtungsventil zum Entleeren der kompletten Druckrohrleitung installiert. Generell beinhaltete das Auftragspaket für WKV die komplette Montage inkl. der Inbetriebnahme. Dass man beim Maschinensatz für das neue Kraftwerk Chapfensee-Plons auf einen einzigen Ausrüster vertraute, hat durchaus gute Gründe, wie Erich Riget darlegt: „Es macht einfach Sinn, dass man nur einen Ansprechpartner hat, wenn es um etwaige maschinelle Probleme geht. Uns haben die Maschinen von WKV wirklich überzeugt.“

Kompetente Aufgabenteilung
Umgesetzt wurde die gesamte elektromaschinelle Ausrüstung unter der Ägide des renommierten Branchenunternehmens Knobel Engineering Kandertal GmbH aus Frutigen, die für die Projektierung von Elektromechanik und Leittechnik für die Anlagen KW Plons, KW Weissenstein und KW Chapfensee verantwortlich zeichnete. Darüber hinaus wurde das Unternehmen aus dem Kanton Bern mit den Ausschreibungen Elektromechanik, Elektrotechnik und Leittechnik dieser Kraftwerke, ebenso wie mit dem Ausführungsprojekt, sowie der Bauleitung Elektromechanik betraut. Hinzu kamen noch die Planung und Begleitung der Inbetriebnahme der Kraftwerke.
Im Auftrag von KeK erarbeitete der Schweizer E-Technik- und Automatisierungsspezialist Rittmeyer AG aus Baar in der Folge ein richtungsweisendes Leittechnik-Konzept, das­ maximale Kommunikations- und Steuerungsmöglichkeiten gewährleisten sollte. Die Leittechnik konnte nach modernsten Kriterien und den individuellen Vorstellungen der Betreiber konzipiert werden. (Detailbericht)

Schritt in die „rechnerische Autarkie“
Mit Dezember letzten Jahres konnten sämtliche relevanten Arbeiten des Großprojektes in Mels abgeschlossen und die Kraftwerke in den Probebetrieb genommen werden. Erich Riget zeigt sich stolz auf das gelungene Mammutprojekt, das in den Stoßzeiten bis zu 13 zeitgleich laufende Baustellen aufwies. Vor allem, dass man es in einer Nettobauzeit von circa 14 Monaten realisieren konnte, freut ihn besonders und lässt ihn die ausgezeichnete Kooperation mit den beteiligten Partnern betonen. „Wenn man bedenkt, dass die Vorlaufzeit bis zur finalen Bewilligung 21,5 Jahre in Anspruch genommen hat, war die bauliche Umsetzung im Vergleich dazu ein Klacks“, sagt der Geschäftsleiter des Unternehmens.
Er verweist dabei auch auf die beachtliche Steigerung in Sachen Stromproduktion, die sich aus der Erneuerung des KW Chapfensee-Plons sowie den realisierten Oberlieger-Kleinkraftwerken ergeben hat. In Summe werden heute in einem Durchschnittsjahr um rund 7 GWh mehr ans Netz geliefert. „In unserem Netz haben wir bislang 34 GWh an Eigenstrom verkauft. Dank unserer neuen Anlagen speisen wir heute im Schnitt 35,5 GWh Strom in unser Verteilnetz. Das bedeutet, dass wir den wichtigen Sprung über die ‚Energieneutralität‘ geschafft haben und nun rein rechnerisch autark sind“, freut sich Erich Riget.

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