Trinkwassertechnik

Verjüngungskur für Trinkwasserleitungen des Wasserverbandes Obere Enns6 min read

21. Oktober 2016, Lesedauer: 4 min

Verjüngungskur für Trinkwasserleitungen des Wasserverbandes Obere Enns6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Nach vierzig Jahren waren die alten PVC-Rohre im Leitungssystem des Wasser­verbands Obere Enns am Ende. Sich häufende Rohrbrüche bekräftigten den Entschluss.

Die Leitungen müssen ausgetauscht werden. Seit fünf Jahren ersetzt man sie nun nach und nach durch duktile Gussrohre. So garantiert man nicht nur eine langjährig sichere Wasserversorgung – durch die Verwendung von druckfestem Rohrmaterial wurde auch die notwendige Voraussetzung zum Bau und Betrieb von Trinkwasserkraftwerken geschaffen.

“Rohrbrüche passieren nicht werktags um 8 Uhr morgens“, erzählt Rupert Steger, Betriebsleiter des Wasserverbandes Obere Enns. Der Verband sorgt für die Trinkwasserversorgung der Salzburger Gemeinden Flachau, Eben und St. Johann. Schon eher passiert ein Rohrbruch an Heiligabend. Oder zu Silvester. Dann heißt es für die Verantwortlichen, rasch die Störstelle zu orten – und das bei jedem Wetter. „Der kälteste Einsatz war bei -26 Grad“, berichtet Gebhard Seiwald, ebenfalls in der Betriebs­leitung des Verbandes. Nach der telefonischen Meldung über das Steuerungssystem der Firma Rittmeyer, der anschließenden Standortbestimmung des Rohrbruchs, der Organisa­tion von schweren Baggern für die Gra­­bungs­arbeit und schließlich der Be­hebung des Bruchs, fließt im Optimalfall nach drei Stunden wieder das Wasser. Nach so einem Einsatz ist sicherlich selbst die ­euphorischste Feiertagsstimmung vorbei.

Austausch der altersschwachen Rohre
Nachdem sich die Rohrbrüche häuften – bis zu acht Mal in nur einem Jahr –, war die Dringlichkeit einer Leitungserneuerung nicht mehr zu ignorieren. Die Schwachstelle war schnell geortet: Die 40 Jahre alten PVC-Rohre waren altersschwach und zudem aufgrund ihrer Materialcharakteristika nicht geeignet für das schwierige Gelände in der gebirgigen Region. Sobald das Budget von den Gemeinden gestellt war, machte man sich in mehreren Ausbaustufen an den Austausch. Statt Kunststoff setzte man nun auf stabiles Gusseisen.

Schwieriges Gelände
Felsabgänge, Hangrutschungen und andere Erdbewegungen, wie sie in der Region oft vorkommen, zerren an der Beständigkeit von Rohren: Langjährige Stabilität, wie sie die PVC-Rohre nach jahrzehntelanger Nutzung nicht mehr gewährleisten konnten, war für den Wasserband Obere Enns somit oberstes Entscheidungskriterium. Die Wahl fiel auf die duktilen Gussrohre mit den Druckstufen PN 16 und PN 25 des österreichischen Her­stellers TRM Tiroler Rohre. Die Verlegung in dem schwierigen Gelände verlangte nach schub- und zugsicheren Materialien. Der Verband ist mit seiner Entscheidung vollkommen zufrieden: „Wir sind der Meinung, dass sich der höhere Preis der Gussrohre gegenüber anderen Materialen in ihrer Langlebigkeit mehr als auszahlt“, resümiert der Betriebsleiter. Um diese noch weiter zu verlängern, wurden die Rohre in Sand gebettet. Eine kostengünstige Maßnahme, die die Betriebssdauer laut ­Rupert Steger weiter verlängern soll.

Umweltfreundliches Material
Aber nicht nur die Robustheit der Rohre führte zum Entschluss, diese zu verwenden, sondern auch ökologische Aspekte: Die Gussrohr-Materialien Eisen und Stahl gelten als gesundheitlich und ökologisch besonders unbedenklich, und kommen ohne chemische Zusätze aus. Als Ausgangsstoff für duktile Gussrohre der TRM werden hochwertige Materialien verwendet. Für die Gewinnung des Roheisens kommt ausschließlich Eisen- und Stahlschrott zum Einsatz. Durch den Einsatz von Recyclingmaterial in der Herstellung, aber auch durch die extrem lange technische Nutzungsdauer – bis zu 140 Jahre – und die anschließende fast 100 prozentige Recyclebarkeit sind duktile Gussrohre besonders nachhaltig, wirtschaftlich und umweltfreundlich.

Steigender Trinkwasserbedarf
Peu à peu wurden in den letzten fünf Jahren ca. 17 km Rohre ausgetauscht, die sich zwischen 1.125 und 850 Höhenmetern befinden, und weitere 5 km innerhalb Flachaus. Neben der Veralterung der Rohre war auch der steigende Bedarf ein Grund für ein erneuertes Leitungsnetz. „Als Wasserverband sahen wir uns in den letzten Jahren mit einem permanent steigenden Trinkwasserbedarf konfrontiert, was in erster Linie auf den nach wie vor wachsenden Wintertourismus in unserer Versorgungsregion zurückzuführen ist. Aus diesem Grund wurde es notwendig, die Verbandsleitung zu vergrößern“, erläutert Rupert Steger den Grund für den Ausbau. Das Trinkwasser für Eben, Flachau und St. Johann kommt aus den so genannten Marbachquellen – Karstquellen, die rund 11 Kilometer südlich von Flachau entspringen und eine hervorragende Wasserqualität liefern. „Wir ver­sorgen in Spitzenzeiten bis zu 40.000 Personen“, erläutert Rupert Steger. Wobei der Bedarf durch den saisonalen Tourismus stark schwankt: So benötigt die Gemeinde Flachau an Spitzen­zeiten im Winter ca. 70 l/s, an einem regulären Tag außerhalb der Saison 27 l/s (Mittelwert Ende August).

Duktile Gussrohre ermöglichen Trinkwasserkraftwerke
Mit der Sanierung des Leitungsnetzes wurde jedoch nicht nur die zukünftige Wasserversorgung sichergestellt. Der erhebliche Leitungsdruck auf den Mitte der 1970er Jahre ver­bauten 10 km langen und gut 200 m Hö­h­en­­unterschied überwindenden Leitungsstrang wurde mit vier Druckunterbrecherschächten reduziert, um die materialbedingten Druckobergrenzen der PVC-Rohre ein­zuhalten. Heute setzt das neue Leitungssystem auf eine weit innovativere Lösung: Zwischen dem Quellsammelschacht am Berg und dem Teilschacht Flachau im Tal wurde ein Leitungsstrang verlegt, bei dem pro Sekunde 130 Wasser ohne Druckunterbrechung talwärts fließt. „Mit dem Ausbau der Leitung und der Verwendung von druckstarkem Rohr­material haben wir die notwendige Voraussetzung zum Bau und Betrieb von Trinkwasserkraftwerken geschaffen“, so Rupert Steger.

Druckhöhe wird genutzt
Zwischen dem Quellsammelschacht und dem Teilschacht Flachau liegt nun ein ohne Druckunterbrechung durchgehender Leitungsstrang vor. Aufgrund des Leitungsaustauschs 2015 kann nun die volle Konsensmenge von 130 l/s abgeleitet und energetisch genutzt werden. „In der Folge bot es sich an, jene Druckhöhe, die nicht zur Abdeckung der Fließverluste erforderlich ist, zur Stromerzeugung zu nutzen.“ Somit wurden durch den Leitungsausbau als positiver Nebeneffekt die erforderlichen Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Betrieb von Trinkwasserkraft­werken geschaffen. Gemeinsam mit der als Generalunternehmen fungierenden Firma Abel, die schon zuvor im Hochbehälter Flachau eine kleine Pumpe als Turbine installiert hatte, wurden die Projekte in Angriff genommen. Weitere projektbeteiligte Unternehmen waren das Bauunternehmen ASDAG Kärnten und Gebrüder Haider, für die Planung verantwortlich zeichnete Straschil & Anselmi, für die Steuerungstechnik Rittmeyer und für den Turbinenbau das Südtiroler Unternehmen Tschurtschenthaler.

Zwei Trinkwasserkraftwerke in Betrieb
Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme des Trinkwasserkraftwerks Marbach I in Flachau im Frühjahr 2011, erfolgte eine weitere Eröffnung mit dem Kraftwerk Marbach II in ­St. Johann zwei Jahre später. Zusammen verfügen sie über eine Engpassleistung von ca. 160 kWh, der Strom wird in das Netz der Salzburg AG eingespeist. Wie alle Trinkwasserturbinen aus dem Hause Tschurtschenthaler wurden auch jene für den Wasserverband Obere Enns – 2-düsige Peltonturbine bei Marbach I, 1-düsige Peltonturbine bei Marbach II – so ausgeführt, dass durch den Betrieb der Maschine keinerlei Beeinträchtigung für das Trinkwasser passieren kann. Alle Teile, die mit Wasser in Berührung kommen, sind in Edelstahl gehalten. Auf Ölhydraulik wird komplett verzichtet, stattdessen treiben elektrisch betriebene Servomotoren der Firma en-co die Düsensteuerung sowie den Strahlablenker an. Dadurch garantiert Tschurtschenthaler nicht nur eine effiziente und verlässliche energetische Nutzung, sondern auch maximalen Schutz für das Trinkwasser.

Weitere Ausbauten in Zukunft
Insgesamt wurden mittlerweile ca. 20 km PVC-Rohre durch duktile Gussrohre ersetzt, weitere Ausbauten sind zwischen St. Johann und Flachau mit frühestens 2018 geplant. Und so  wird in Zukunft auch bei stetig wachsendem Wintertourismus das Leitungsnetz den Trinkwasserbedarf decken können – gelungene Fest­tage ohne Rohrbrüche sind somit garantiert.

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